Dieses Jahr fand zum 47. Mal die weltgrößte Kunstmesse Art Basel statt und auch wir konnten einen Blick in die heiligen Hallen zeitgenössischer Kunst werfen, waren wir doch für die Vitra-Campus-Party in Weil am Rhein praktisch um die Ecke. Die Art, wie sie kurz genannt wird, zeigt unerschwingliche Kunst in einer Toplocation mit extrovertierten, eleganten Besuchern und macht dadurch den Messebesuch zu einem rundum unterhaltsamen Erlebnis. Dazu vibriert die ganze Stadt Basel, wie ich es sonst nur aus Mailand, während der Möbelmesse, kenne. Eine Messe so bezaubernd wie bizarr, einfach herrlich! Die schönsten Entdeckungen von der Kunstmesse zeige ich euch heute im Rückblick.
Die beiden Schweizer Architekten Herzog & de Meuron entwarfen das neue Messegebäude. Davor zu sehen ist die Installation „Zome Alloy“ des Künstlers Oscar Tuazon aus Los Angeles, angelehnt an die wabenähnlichen Häuser „Zome House“ (1972) von Steve Baer. Der verdrehte Gänsehals auf goldener Kugel wurde von der Galerie Eigen + Art präsentiert, im Hintergrund ein Bild von David Schnell.
Art Basel: Klassiker, Mobiles und zeitgenössische Kunst
Natürlich ist die Art Basel vor allem eine Verkaufsmesse, was auch erklärt, warum eher zugängliche Kunstwerke von renommierten Künstlern als kritische, politische Werke von Nachwuchskünstlern gezeigt werden. Letztendlich geben aber weniger als zehn Prozent der Besucher tatsächlich Geld für Kunstwerke aus. Die anderen kommen so wie wir, um die einzigartige Atmosphäre und die unglaublichen Bilder in Museumsqualität zu bewundern. Ist man sich dessen bewusst, kann man sich auf die Banalität der Ästhetik einlassen und die Ausstellung als hochwertige Unterhaltung genießen.
Die 286 Galerien aus 33 Ländern präsentieren vor allem eine Vielfalt hochwertiger, zeitgenössischer Kunst sowie Klassiker aus dem 20. Jahrhundert: Späte Picassos, frühe Werke von Gerhard Richter, erstaunlich viele Mobiles von Alexander Calder, Arbeiten von Lichtkünstlern wie Ólafur Elíasson und Jeppe Hein und Fotografien von Gursky und Tillmans. Aber seht selbst …
Der hessische Bildhauer Stephan Balkenhol ist für seine grob gehauenen und farbig bemalten Holzskulpturen bekannt, insbesondere für seine Männerskulpturen, die mit schwarzer Hose und weißem Hemd bekleidet sind (Galerie Mai 36). Er ist für viele der beliebteste (für viele andere der belangloseste) Bildhauer Deutschlands. Gerd Harry Lybke von der Galerie Eigen + Art hatte natürlich auch ein Bild seines wunderbaren Schützlings Neo Rauch dabei: „Märzarbeit“ außerdem einen Raum im Raum von Olaf Nicolai unter dem Titel „Oskar. (Eine Camouflage)“ und die Schwarz-Weiß-Bilder „Psychomotor“ von Rémy Markowitsch.
Ein beeindruckendes Gerhard-Richter-Format: circa zwei Meter hoch, über zehn Meter lang (Galerie Marian Goodman) – ein Bild, das mich angesprochen hat: Philip Taaffes „Nymphaeum“ (Galerie Luhring Augustine).
Nicht nur die Kunst war sehr beeindruckend, auch die Besucher hatten großen Unterhaltungswert. Schöne Farben zu sehen in dem Gemälde „Untitled #17“ der 91-jährigen libanesischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan. Die Hamburger Galeristin Andrée Sfeir-Semler, die auch in Beirut eine Galerie unterhält, hat sich in den letzten zehn Jahren auf Künstler aus der arabischen Welt konzentriert. Seit der Eröffnung 2005 in Beirut hat sich die Sfeir-Semler-Galerie zur renommiertesten Plattform für den kulturellen Austausch im Nahen Osten entwickelt – und dadurch auch der westlichen Welt einen Perspektivwechsel auf Kunst aus dem Nahen Osten ermöglicht.
Die Galerie Krinzinger Vienna hatte ein typisches Jonathan-Meese-Bild dabei mit dem beschreibenden Titel: „Cold Rebell, Hallo: Hier ist der Entwählungsdient ,K.U.N.S.T.‘, Hier sind sie immer falsch verbunden ...(zum Glück)“. Daneben Sturtevants „Kill Wallpaper“ aus der Pariser Galerie Air de Paris.
Ein großformatiges Bild der Amerikanerin Teresita Fernández, vertreten durch die New Yorker Galerie Lehmann Maupin. Sie arbeitet gerne mit unkonventionellen Materialien. Das Bild „Fire (America) 2“ besteht aus Tausenden kleinen glasierten Keramiksteinen. Wenn man vor dem Bild steht und sich beim Betrachten von links nach rechts bewegt, hat man das Gefühl, es lodert.
Beeindruckt hat mich die neueste Installation des Künstlers Ólafur Elíasson, „Cosmic Gaze“: Von vorne betrachtet eine unspektakuläre Tapete mit Punkten – erst von der Seite werden die 329 Glaskugeln erleb- und sichtbar (Tanya Bonakdar Gallery). Ólafur Elíasson beschäftigt sich am liebsten mit physikalischen Phänomenen in der Natur, wie Licht und Wasser, Bewegung und Reflektion, und übersetzt diese in seine Kunst. Er ist auch für sein Projekt „Little Sun“ bekannt, eine Solarleuchte, die Menschen ohne Stromanschluss mit Licht versorgen soll. Jeff Koons „Gazing Ball (Rembrandt Self-Portrait Wearing a Hat)“ zu sehen auf dem Stand der sehr beliebten Gagosian Gallery.
Tomás Saraceno macht seine Faszination für Spinnen und Netze zum Zentrum seiner Kunst: Auf der Art Basel ist er mit dem Werk aus Nylon und Plexiglas „GSC 06214-00210/ M+W, 2015“ vertreten (Tanya Bonakdar Gallery). Die Kopenhagener Galerie Nicolai Wallner stellte sechs Acrylbilder des britischen Künstlers und Turner-Preis-Nominierten David Shrigley aus.
Die Berliner König Galerie, die im April den Messestand von e15 in Mailand bereicherte, zeigte „Fly me to the Moon“ des in Berlin lebenden Dänen Jeppe Hein, der zuvor Assistent von Ólafur Elíasson war. Seine Werke gefallen mir sehr, auch weil sie zur Interaktion mit der Kunst anregen bzw. das Miteinander fördern und ermöglichen. Ein schönes Beispiel dafür ist seine Arbeit „Follow Me“ aus kreisförmig angeordneten Spiegelstreifen. Er spielt mit optischen Täuschungen und Bewegungen. Die Skulptur Junge mit Nacktschnecke mit dem Namen „Dawn“ ist eine Arbeit von Elmgreen & Dragset, dahinter zu sehen Annette Kelms „Found Object (Balance)“.
Andreas Gursky bei Gagosian
Tiere sind wieder Inhalt von Kunstwerken auf der Art Basel. Hier ein Dinosaurier von Raphaela Vogel „(18) Teint Eklat“, der von einer Dame im Video zum Stierkampf aufgefordert wird (Galerie BQ aus Berlin-Mitte). Der Reifen „Road Rage“ und das Foto sind von Elisabetta Benassi (Galerie Maggazino).
Die Galerie Mai 36 hatte noch eine Schlange dabei und bei Picasso vermute ich den Schlangenbeschwörer.
Das kreative Ehepaar Ilya & Emilia Kabakov war auf der Art Basel mit einem Gemälde vertreten. In Ilya Kabakovs Werken, die sehr biografisch und politisch sind, versucht er, die Geburt und den Tod der Sowjetunion zu erklären, seiner Meinung nach die erste moderne Gesellschaft, die verschwunden ist. Ebenfalls sehr politisch: Sol Caleros farbenfrohe Wechselstube „Casa de Cambio“ (Laura Bartlett Gallery) bei der Art Basel Statements, auf der sich junge Galerien präsentierten. Auf den ersten Blick eine farbenfrohe Stube, an deren Bildschirmen Telenovelas laufen – mit einem ernsten Thema als Hintergrund: die vor allem durch totale Korruption verursachte Hyperinflation in Venezuela, die laut IWF dieses Jahr 750 Prozent betragen wird. Die Geldscheine gehen dem Land aus und so mussten im Februar zehn Milliarden Scheine mit 36 Flugzeugen vom Typ Boeing 747 eingeflogen werden. Für viele war die Art Basel, auf der teilweise horrende Preise für Kunst gezahlt werden, in vielerlei Hinsicht ein idealer Ausstellungsort für die Stand füllenden, beeindruckenden Installationen.
Auch die Hängungen, Formate oder Rahmung finde ich immer wieder spannend, wie beispielsweise bei der Galerie Taka Ishii aus Tokyo, davor steht die Skulptur „Two identical child chairs“ von Yuki Kimura. Die Pariser Galerie Kamel Mennour hatte ein Kunstwerk des beeindruckenden Tadashi Kawamata ausgestellt, eines japanischen Bildhauers und Fotografen, der in Tokio und Paris lebt und arbeitet – für ihn ein untypisch kleines Format, da er vor allem für seine großen Installationen aus Holzbrettern bekannt ist, die er in der Umgebung der Kunststätte findet und in denen er sich auf die Behausungen Obdachloser bezieht.
Eine ganze Tischsituation hinter Acryl: Daniel Spoerris „Tableau Piège 2. August 72“, entdeckt bei Helga Maria Klosterfeld Editionen, der bei den Art Basel Editionen vertreten war. Licht, LEDs, Bewegung, Technik – immer wieder Thema auf der Art Basel, hier zu sehen das Werk „How to DISappear in America/Blue Flag“ von Ei Arakawa, Galerie Taka Ishii.
Auf der Art Basel Statements wurde auch jungen Galerien die Möglichkeit gegeben auszustellen, wie hier der Galerie Simone Subal aus New York, die die spannende Arbeit von Frank Heath dabeihatte. Ich mag Kunst, die neue Perspektiven und Ausblicke zeigt und verschiedene Kunstrichtungen kombiniert.
Lichtboxen und beleuchtete Schriftzüge durften auch nicht fehlen, wie hier von Rodney Graham „Essence of Smoke“ (Lisson Gallery) und „Remember me“ von Steve McQueen (Galerie Marian Goodman).
Der in Lissabon lebende Künstler Pedro Cabrita Reis liebt es, mit verschiedenen Ebenen zu arbeiten, wie man hier auch sehr schön in seinem Werk „Unframed #16“ (Galerie Mai 36) sehen kann. Joseph-Kosuth-Galerie: Sean Kelly „The Paradox of Content #5“ [Orange].
Ein wesentlicher Bestandteil der Kunst von Konzeptkünstler Mladen Stilinović ist die ironische Sicht auf die Welt – auch schön: sein Werk „Amerika made in China“. Die 1977 geborene Künstlerin Nilbar Güreş lebt in Wien und befasst sich in ihren Collagen, Videos, Performances, Fotografien und Objekten vor allem mit dem Thema Frauen, ihrer Identität, ihrem Verhältnis zueinander und dem Verhältnis zwischen Frauen,ihrem Zuhause und dem öffentlichen Raum. Auf dem Stand der Galerie Martin Janda war ihr aktuelles Werk „The trouble of ornaments“ zu sehen.
Neben Wolfgang Tillmans Fotografien, der einen ganzen Stand in der Unlimited Section hatte, ist hier die Fotografie „Aletschgletscher“ von Andreas Gursky zu sehen (Sprüth Magers). Die Tiefe variiert und so zieht einen das 3-D-Bild „Passage No. 12“ von Yang Zhenzhong in den Bann (Galerie ShanghArt).
Wieder unterwegs auf dem Mai-36-Stand: Zu sehen ist das tolle Gemälde – Öl und Silikon auf Holz – „posso“ von Pia Fries, daneben Michelangelo Pistolettos Bild „Manicera (venditrice di arachidi)“ (Galleria Continua).
Noch einmal zehn Aquarelle der 91-jährigen Libanesin Etel Adnan, die ihr künstlerisches Zuhause neben dem Schreiben in der abstrakten Malerei gefunden hat. Vier Bilder von Alex Katz bei Gavin Brown’s enterprise.
Die Galerie Sikkema Jenkins & Co. zeigte die Serie von Erin Shirreff „Four Sides, no. 2“.
Neben bekannten und mir unbekannten Künstlern sind es oft einfach die kleinen Details – die Farben, die Hängung der Bilder oder die Rahmen –, die mir gefallen haben. Auch das Thema Licht, egal ob in der Malerei, als Reflektion, Spiegelung oder Bewegtbild, fasziniert mich schon immer in der Kunst. Ich hoffe, dass ich euch mit auf einen kleinen Rundgang über die Art Basel nehmen konnte, vielleicht hat euch eine Farbkombination oder ein bestimmtes Motiv gefallen?