Eileen Grays Beistelltisch E1027
Eileen Gray, die 1878 geborene irische Künstlerin, gehört zu den Pionieren des modernen Designs. Als einzige Frau unter den führenden Designern der zwanziger und dreißiger Jahre war Eileen Gray lange in Vergessenheit geraten, bis sie schließlich in den Siebzigern wiederentdeckt wurde. Heute wird sie in einem Atemzug mit Le Corbusier, Mies van der Rohe und Marcel Breuer genannt. Obwohl Eileen Gray ebenfalls modernistische Entwürfe in Chrom, Stahl und Glas kreierte, stellte sie im Gegensatz zu Le Corbusiers Konzept der 'Wohnmaschine' die Bedürfnisse der Bewohner in den Mittelpunkt: "Ein Haus ist keine Maschine, in der man lebt. Es ist eine 'Muschel' des Menschen - sein Ausgreifen in die Umwelt, seine Befreiung, seine spirituelle Emanation."
Eileen Gray und E 1027
Von 1898 bis 1902 studiert Eileen Gray Malerei an der Slade School of Fine Art in London. Nach ihrem Abschluss zieht sie nach Paris, wo sie für wohlhabende Kunden Lackwände und Lackmöbel im Design des ausklingenden Art Déco fertigt. Im Stil dieser Jahre ist auch Grays Sofa Lota (1924) gehalten, das mit seinen üppigen Kissen und mehrfach lackierten Seitenteilen Ästhetik und Komfort miteinander versöhnt.
In den frühen zwanziger Jahren lernt Eileen Gray Vertreter der Künstlergruppe De Stijl kennen. De Stijl ist streng reduktionistisch orientiert, strebt aber dabei auch spirituelle Harmonie und Ordnung an. Besonders die streng geometrischen Formen von De Stijl faszinieren Eileen Gray. Zu dieser Zeit experimentiert sie auch mit neuen Möbelmaterialien und wagt schließlich als erste, noch vor Mies, Breuer und Le Corbusier, den revolutionären Schritt hin zu Stahlrohrmöbeln.
Le Corbusier ermutigt Eileen Gray, ein Haus zu entwerfen, und zwischen 1926 und 1929 baut sie das unter dem Namen E 1027 bekannte Haus an der Mittelmeerküste von Roquebrune bei Monte Carlo. Sie stattet dieses Haus mit einer Reihe bahnbrechender Möbelstücke aus, darunter der ebenfalls unter dem Namen E 1027 sehr bekannte höhenverstellbare Beistelltisch aus Glas und Stahl und der nach dem Michelin-Reifenmännchen benannte Sessel Bibendum (beide für Classicon).
Der geheimnisvolle Codename stammt ebenfalls von ihr und bezieht sich auf ihren Namen und den ihres Geliebten Jean Badovici: E steht für Eileen, 10 für Jean (J ist der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für B(adovici) und 7 für G(ray). Auch in ihrem Haus orientiert Eileen Gray sich am Ideal funktionalistischer Sachlichkeit, verliert dabei aber nie die humane Seite des Wohnens aus dem Blick. Grays Grundriss organisiert die Räume so, dass jeder einzelne Bewohner sich zu jeder Zeit zurückziehen und eine friedliche Ecke zum Entspannen finden kann. Heute gilt E 1027 als Paradigma der Moderne. Das Haus befindet sich leider in einem sehr schlechten Zustand, es gibt aber Pläne des französischen Staats, es angemessen zu restaurieren.
Eileen Gray und Le Corbusier
Die Beziehung zwischen Eileen Gray und Le Corbusier ist vielschichtig und spannungsreich. In den Jahren 1937 bis 1939 versieht Le Corbusier einige Wände von E 1027 mit Wandmalereien - es ist bis heute unbekannt, ob er das aus Bewunderung für Eileen Gray und ihr Werk tut oder aus dem Wunsch heraus, sie zu bevormunden und ihre Arbeit auszulöschen. Hätte er das bei einem Mann auch so gemacht? Jedenfalls ist Eileen Gray zutiefst erbost über diesen Eingriff und hält sich nie wieder in E 1027 auf.
Le Corbusier baut sich auf einem kleinen Nachbargrundstück eine Blockhütte, "Le Cabanon", in die er sich oft zum Arbeiten und zur Erholung zurückzieht. 1965 ertrinkt er hier beim Schwimmen im Meer. Eileen Gray führt nach dem Krieg ein zurückgezogenes Leben in Paris. Sie arbeitet weiter an neuen Projekten, wird aber außerhalb eines kleinen Kreises von Spezialisten nicht wahrgenommen. Noch mit achtzig Jahren baut sie trotz schlechten Gehörs und beginnender Blindheit einen Schuppen bei Saint Tropez in ein Sommerhaus um, in dem sie lebt und arbeitet. Mit achtundneunzig Jahren stirbt Eileen Gray 1976 in Paris.
Heute erzielen Objekte aus der Hand von Eileen Gray im Kunst- und Designhandel hohe Preise - unter anderem auch deshalb, weil viele ihrer Entwürfe häufig Unikate sind oder nur in sehr geringer Stückzahl gefertigt wurden.