Skandinavisches Design oder Bauhaus – bei diesen Begriffen entstehen gleich Bilder in meinem Kopf. Was aber genau zeichnet spanisches Design aus? Sogar der Großteil der Spanier kennt darauf keine Antwort. Anders als in Italien oder Skandinavien besteht hier kein wirkliches Bewusstsein für die eigene Designgeschichte.
Um der Frage „Was ist spanisches Design?“ nachzugehen, habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Pressereise begeben. Vor der Reise kannte ich nur einige, international bekannte Designer wie Patricia Urquiola, Javier Mariscal oder Jaime Hayon – aber nur wenige Hersteller. Das sollte sich schnell ändern! Fünf Tage und unzählige Termine, Besichtigungen und Essen später, habe ich ein Gefühl davon, was spanisches Design ist.
Begleitet mich auf meiner Reise nach Barcelona, Valencia, Murcia, Yecla und Madrid.
Die Reise: 4,5 Tage, 18 Termine und 1.200 Kilometer
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Einen Tag nach dem SoLebIch-Jubiläumswochenende im Juli geht für mich die Reise los. Sie beginnt in Barcelona mit einem Mittagessen im Soho House. Zusammen mit den fünf anderen internationalen Mitreisenden fahren wir anschließend zu einer wirklich tollen David-Bowie-Ausstellung ins Designmuseum. Alle Besucher bekommen Kopfhörer. Jedes Mal, wenn ich mich einem Kostüm aus einem Musikvideo oder einem persönlichen Brief von Bowie nähere, höre ich Infos oder eines seiner Lieder. Als sein Song „Space Oddity“ gespielt wird, lasse ich mich von Bowie in den Weltraum entführen – bevor sich die restliche Woche nur noch um Interior dreht.
Montag, Tag 1 – Barcelona: Eine schöne Unterkunft und ein überraschendes Abendessen mit La Cartuja de Sevilla
Barcelona zählt nicht ohne Grund zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität. Ich liebe diese quirlige Stadt am Meer und war schon einige Male hier. Diesmal entdecke ich ganz neue Facetten von Barcelona.
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Mitten in Barcelona: Das Hilton-Hotel Alexandra DoubleTree
Ich habe noch nie eine so schöne und besondere Terrasse gesehen wie in unserem Hotel Alexandra! Eine grüne Ruheoase mitten in der Stadt. Mir gefallen vor allem die Kontraste sehr. Die Rückenlehne der Sitzbänke ist aus Backstein, darauf liegen kuschelige Kissen. Überall wachsen Pflanzen. Die perfekte Mischung aus Lässigkeit und Geradlinigkeit!
Vom warmen Cookie zur Begrüßung über das leckere Frühstück bis hin zur Verabschiedung der herzlichen Chefin Carolina Borell – einfach alles stimmt!
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Der Eames Wire Chair von Vitra. Ein köstliches Frühstück.
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Hier geht es zur Website des Hotels Alexandra.
La Cartuja de Sevilla bei Stardesigner Lázaro Rosa-Violán
Am Montagabend erwartet uns eine echte Überraschung: Die Porzellanfirma La Cartuja de Sevilla, die seit 1841 besteht, lädt uns in das mondäne Zuhause des Stardesigners Lázaro Rosa-Violán und seines Partners Devin Winter ein. Auf Tellern aus unterschiedlichen Kollektionen wird für uns und für Lazaros Freunde frisch zubereitetes Essen serviert. Zu später Stunde öffnet uns der Hausherr all seine privaten Gemächer. Die beiden wohnen erst seit gut einem Jahr in der Wohnung. Mit all den alten Vitrinen und Sammlungen wirkt es, als würden sie schon ewig hier leben. Ich bewundere das Porzellankabinett und entdecke so manche Skurrilität: Im Bad etwa begrüßt mich ein Skelett. Einmalig!
Drei Köche bereiten das Essen in der mondänen Privatwohnung des Designers zu. Das zweifarbige Design des Porzellans kennt man auch von den Briten. Ich kann mir die Kollektionen super auf einem Vintage-Holztisch oder auch in einem minimalistischen Zuhause vorstellen.
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Auf dem linken Bild sieht man Porzellan in traditionellem Design, wofür La Cartuja de Sevilla bekannt ist. Rechts die Neuheiten, mit neuer wunderschöner Bildsprache, vorgestellt von der Marketingchefin.
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Überrascht von der Offenheit: Im Badezimmer finden wir ein Kuriositätenkabinett, im Porzellanzimmer eine eklektische Sammlung von Zara Home bis La Cartuja und im Schuhschrank enttarnen wir Lazaro als Sneaker-Liebhaber.
Hier geht es zur Website von La Cartuja de Sevilla.
Dienstag, Tag 2: Mondäner Luxus trifft auf präzises Design
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Zu Besuch im Cotton House Hotel, im Designstudio La Granja und beim Leuchtenhersteller Marset
Am nächsten Morgen besuchen wir eines von Lazaros Projekten und das seines 150 Mann großen Teams: das Fünf-Sterne-Hotel Cotton House. Alles andere als minimalistisch, zieht es mich trotzdem in den Bann – die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein. Es hat etwas Koloniales, sehr Herrschaftliches an sich – die Geschichte dieses klassizistischen Hauses aus dem 19. Jahrhunderts ist überall zu spüren. Das ehemalige Wohnhaus einer katalanischen Herrscherfamilie wurde irgendwann Hauptsitz des Baumwoll-Verbandes und ist heute ein besonderes Boutique-Hotel, in dem man sich immer noch seine Hemden nach Maß fertigen lassen kann.
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Viele historische Elemente konnten bei der Renovierung 2015 erhalten bleiben, wie diese traumhaft schöne und berühmte hängende Wendeltreppe aus dem Jahre 1957.
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Vom Magazin Telegraph wurde das Cotton House unter die 50 besten Hotels der Welt gewählt.
Vormittags im Designstudio La Granja
Kontrastreicher hätte der Anschlusstermin nicht sein können: Wir besuchen das international tätige Designstudio La Granja in seinen wunderschönen Räumen in einer ehemaligen Keksfabrik. Hier würde sich das SoLebIch-Team auch sehr wohlfühlen. Bei La Granja spürt man in allem ihre Leidenschaft und Humor, nicht zuletzt auf ihren selbstironischen Teambildern, auf denen sie sich mit Tiermasken oder als Partycrasher zeigen – sehr inspirierend.
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Links das Büro in einer ehemaligen Keksfabrik. Auf dem rechten Bild der Garderobenständer Forc von La Granja Design. Auf dem Foto an der Wand sieht man die Gründer – sie haben Tiermasken auf.
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Nach einem mehrstündigen, sehr leckeren Mittagessen im Bellavista Restaurant, das Lionel Messi gehört (und für mich ein nicht stimmiges Restaurantkonzept hat: gutes Essen, aber grelles Licht und für meinen Geschmack von allem ein bisschen zu viel – Alice im Wunderland trifft auf American Diner), geht es zurück ins Hotel.
Das Abendessen bei Marset – feines Essen, durchdachte Details, super Qualität
Lässig, entspannt, offen und vielseitig – so ist der Abend bei Marset. Jose Marset und sein Team sind herzliche und perfekte Gastgeber, bei denen man sich gleich willkommen fühlt! Besonders schön: Die Designer des hochwertigen Leuchtenherstellers sind ebenfalls eingeladen. Und so lerne ich nicht nur den talentierten Christophe Mathieu kennen, der die filigrane, wunderschöne und so viele Funktionen umfassende Leuchte Bicoca entworfen hat, sondern auch die wunderbare Inma Bermúdez, die mit Säugling Otto und ihrem netten deutschen Mann Moritz aus Valencia, wo sie mit vielen Tieren auf dem Land leben, angereist ist. Ihre Follow-Me-Leuchte ist mittlerweile schon Familienmitglied – so praktisch, leicht, mobil und schön zugleich. Bei vielen von euch habe ich sie auch schon entdeckt ...
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Herbstneuheit 2017: Bicoca von Christophe Mathieu: mobil, magnetisch und einfach wunderschön.
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Auf meinen Wunsch hin zeigt Inma mir spontan ihre unterschiedlichen Entwürfe für verschiedene Hersteller. Das ein oder andere Produkt ist wahrscheinlich auch bei euch zu Hause, da Inma viel für Ikea entwirft. Ihre Follow-Me-Lampe kann man überallhin mitnehmen – wie eine Laterne, nur mit moderner LED-Technik und einem Akku, der 20 Stunden hält.
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Geselliges Beisammensein bei der besten Paella, die ich je gegessen habe!
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Der Marset-Cocktail neben der Outdoor-Leuchte Santorini, wie sie auch auf der Terrasse im Hotel Alexandra hängt.
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Neuheiten: Stehleuchte Theia und Pendelleuchte Ginger – schlicht, schön, elegant und zeitlos.
Hier geht es zur Website von Marset.
Mittwoch, Tag 3: Miami-Feeling
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Mittagssnack: geliebte Gazpacho in kleinen Fläschchen.
In Valencia bei Viccarbe
Im 350 Kilometer entfernten Valencia mit seinen 300 Sonnentagen im Jahr besuchen wir den Möbelhersteller Viccarbe. Schon die Ankunft ist absolut beeindruckend: Bin ich in Miami? Palmen und 50er-Jahre-Architektur. Wir gehen durch die überdimensionale Eingangstür. Im Haus sehen wir minimalistische, funktionale Entwürfe – etwa einen Esszimmerstuhl auf Rollen. Absolut beeindruckend!
Der Ursprung der Firma liegt im Industriedesign, was die Entwürfe in ihrer Schlichtheit und Funktionalität widerspiegeln. Dennoch sind sie – typisch spanisches Design – gewürzt mit einer Prise Humor. Seit ein paar Jahren entwerfen die Designer bei Viccarbe auch Möbel für das heimische Wohn- und Esszimmer.
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Welcome to Miami? Nein, es ist Valencia! Heute findet man Viccarbe-Möbel in 60 Ländern und bei Firmen wie Google, Facebook und Microsoft. Ihre schlichten Entwürfe haben in den letzten 16 Jahren an Vielfalt gewonnen und werden nun auch für das private Zuhause entworfen – wie der neue, hübsche Stuhl Aleta von Jaime Hayon.
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Das ist spanisches Design: Schlichtheit trifft immer wieder auf Überraschungen. Hier der Beistelltisch Up in the Air mit integrierten handgefertigten Keramik-Goldfischen.
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Eigentlich sind Tischtennisplatten hässlich, deswegen stehen sie ja in der Garage. Habt ihr schon mal ein so schönes Exemplar gesehen? Das sieht so stylisch aus, dass ich es mir ins Wohnzimmer stellen würde, wenn ich genug Platz hätte. Rechts der Beistelltisch Burin, entworfen von Patricia Urquiola.
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Tisch Trestle von Jason Parson. Viccarbe arbeitet bei seinen Entwürfen mit Designern wie Patricia Urquiola, Jaime Hayon, Piero Lissoni und Naoto Fukasawa zusammen.
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Barhocker finde ich selten schön. Mit diesem Exemplar von Patricia Urquiola allerdings könnte ich gut leben! Rechts ein kleiner Pinguin. Humor und Überraschungen sind bei spanischen Designern oft Bestandteil der Arbeit.
Hier geht es zu Website von Viccarbe.
Donnerstag, Tag 4: Pool und Seifenblasen
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Neu: Architekt und Sohn des Gründers, José Gandia Blasco, integriert nun auch Holz in seine Entwürfe. Der Sonnenschirm Ensombra ist toll: Die Paneele lassen sich zusammenschieben.
Südlich von Valencia bei Gandia Blasco und bei Sancal in Yecla
Die zwei Hersteller, die wir am Donnerstag besuchen, könnten unterschiedlicher nicht sein – angefangen bei den Firmensitzen bis hin zu den Produkten. Auf der einen Seite die Firma Gandia Blasco, bekannt geworden durch minimalistische und geradlinige Aluminium-Gartenmöbel, die heute vor allem auf Ibiza und in Miami zu finden sind. Auf der anderen Seite die Firma Sancal, die für farbenfrohe und teils verspielte Möbel steht – illustrativ, grafisch, aber auch ernsthaft.
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Firmensitz von Gandia Blasco.
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Ein Abendessen ohne Handys. Neue Möbel, neue Firma: Nächstes Jahr wird sich die auf eine jüngere Zielgruppe ausgerichtete Firma von Alejandra Gandia Blasco dem Markt öffnen – unter dem Namen Diabla. Die Sessel fand ich super: lässig und schön. Sie können gerne in unseren Garten einziehen.
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Bildsprache der neuen Marke Diabla.
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Das kann man im sonnigen Spanien gut: zum Presse-Pool-Frühstück einladen, in den abgefahrenen Firmensitz von Gandia Blasco 100 Kilometer südlich von Valencia.
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Gandia Blasco hat noch eine Marke für textile Räume: Gan. Diese Teppich-Outdoor-Landschaft von Patricia Urquiola habe ich auf der Messe in Mailand schon bewundert.
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Auch hier absolute Offenheit: José Gandia Blasco führt uns durch sein Loft. „Alle haben doch ein Schlafzimmer“, antwortet er auf meine Frage, warum er uns auch seine Privatzimmer zeigt. E15 trifft auf Santa & Cole, Gan-Teppich und Möbel von Gandia Blasco.
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Küche und Kontraste bei José.
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Nicht nur für Kinder: Tipi, Entwurf von José Gandia Blasco.
Hier geht es zu Website von Gandia Blasco.
Sinnliches bei der Marke Sancal
Weiter geht es ins 1,5 Stunden entfernte Yecla. 42 Grad im Schatten. Der Termin macht aber sehr viel Spaß! Die Sancal-Schwestern schaffen es virtuos, das Gefühl und den Kern ihrer Firma für uns erlebbar zu machen. Die Frauen sind sehr herzlich, fröhlich und gastfreundlich. Zu Beginn können wir bei einem unglaublich leckeren Mittagessen mit Weinverkostung ihre Stühle für Stunden probesitzen. Ein roter Stuhl sieht aus wie eine Skulptur und hätte auch in einem New Yorker Galeristenloft stehen können.
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Das Restaurant ist abgefahren: Wir sitzen auf einer Metallkonstruktion auf Gärfässern. Fast vergesse ich dabei die 42 Grad, die es vor Ort hat. Wenn ihr mal in der Gegend seid: Wein und Essen sind zu empfehlen!
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Das Licht ist bei der brennenden Hitze ganz besonders. Im Bild sieht man den skulpturalen roten Stuhl.
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Es braucht nicht viele Worte, um ein Gefühl für Sancal zu bekommen. Zu sehen einige ihrer Möbel und Kunst von Sammy Slabbinck, ausgestellt in der Bodega.
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Showroom und Fabrik von Sancal
Unglaublich: Der ganze Eingangsbereich des Showrooms wurde für uns verkleidet und mit Hunderten von Seifenblasen gefüllt. Ich liebe Seifenblasen! Die Leuchte iris von neo/craft – eine irisierende Seifenblase – geht mir seit Jahren nicht aus dem Kopf. Eine Installation nur für uns vom Designduo numero 26.
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Auch in der Fabrik geht es illustrativ und bunt zu.
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Espressokanne: Kunst vom Designduo numero 26 zieht sich durchs ganze Haus. Beistelltisch Pion.
Hier geht es zur Website von Sancal.
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Nach diesem wunderschönen Nachmittag geht es mit dem Hochgeschwindigkeitszug Ave weiter nach Madrid. Abfahrt ist nahe Yecla in Villena, dem schönsten und zugleich einsamsten Bahnhof, den ich je gesehen habe.
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Freitag, Tag 5: Letzter Tag Madrid
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Die Reise ist fast zu Ende, der vorletzte Termin in Madrid führt uns zum Konzern Cosentino. Es geht um die Präsentation seines Produktes Silestone, eines Oberflächenmaterials für Küchen, das vor allem aus Quarz gepresst wird und leichter zu reinigen und sauber zu halten ist als reines Quarz. Sehr gute Idee, uns dieses Produkt mit einem Showkochen des Fernseh- und Sternekochs Sergio Perez näherzubringen, der die Farben und Maserungen optisch in seinen Kreationen aufgreift.
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Ankunft in der Nacht im Petit Palace Hotel in Madrid. Die Treppe bei Cosentino, auch aus einem ihrer Materialien hergestellt.
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Marmor-Uhren und Silestone. Bei der Kreation der Gerichte hat sich Sergio Perez von dem Material inspirieren lassen – so hat er Maserungen aufgenommen.
FAZIT: Und was ist nun spanisches Design?
Es war toll, die Menschen hinter den Firmen kennenzulernen und ihre Leidenschaft, Offenheit und Gastfreundschaft erleben zu dürfen! Spanische Designer und Hersteller schaffen einen eleganten Spagat zwischen Emotionalität und Ernsthaftigkeit, Geradlinigkeit ohne fundamentale Strenge – und das mit einer gewissen Leichtigkeit und Ironie. Das macht für mich die spanischen Entwürfe reizvoll, einfallsreich und sympathisch. Sie sind nah am Menschen, ohne dogmatischen Prinzipien zu folgen und sich auf Klassikern auszuruhen.
Auch heute, Wochen später, bin ich immer noch beeindruckt von der Reise. Das Erlebnis, Firmen in ihrem „Zuhause“ zu besuchen, um ihre Designphilosophie, ihren Anspruch und ihre Firmenkultur kennenzulernen, war nachhaltig und prägend.
Ist euch Humor bzw. ein gewisser Twist oder Ironie in eurem Zuhause wichtig? Und wenn ja, wo findet man ihn bei euch?
Ich wurde auf die Reise „Sunny Design Days“ vom Verband Red eingeladen, der sich für hochwertiges spanisches Design einsetzt. Herzlichen Dank auch der Agentur felices für die perfekte Organisation und den unermüdlichen Einsatz des Teams!