Insektenfreundliche und nachhaltige Balkonbepflanzung mit heimischen Blühern – Interview mit wasbluehtberlin

von Nicole

Der Balkon ist überdacht, nur die Balkonkästen erhalten direkten Regen.

Vor vier Jahren änderte der erste eigene Balkon nachhaltig ihr Leben. Hauptberuflich Ärztin auf der operativen Intensivstation, hat Daniela (32) aka wasbluehtberlin mittlerweile eine zweite große Leidenschaft: ihren Balkon so insektenfreundlich und nachhaltig wie möglich zu bepflanzen und anderen davon zu erzählen. Denn „wenn es um den Insekten- und Naturschutz geht, zählt jeder noch so kleine Beitrag“, erklärt sie uns. Und sie hat recht, denn die Artenzahl heimischer Insekten ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch geschrumpft, der Handlungsbedarf dafür umso größer.

Warum vielfältige, insektenfreundliche und heimische Wildpflanzen den klassischen Geranien, Petunien und Co. vorzuziehen sind und wie Daniela ihren 8 qm großen Südbalkon mit Vollsonne und lichtem Schatten von Frühling bis Herbst immerblühend bepflanzt, verrät sie im Interview. Auch spannende Tipps und hilfreiche Infos für Anfänger sind dabei.

Nicht nur Insekten, sondern auch Spatzen besuchen gerne Danielas Balkon.

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Liebe Daniela, warum liegt dir das Thema insektenfreundliche Balkonbepflanzung am Herzen?

Wir erleben aktuell ein dramatisches Insektensterben. Sowohl die absolute Zahl der Insekten als auch die Biodiversität, das heißt die Artenzahl, sind seit 1990 drastisch, nämlich um bis zu 75 %, geschrumpft.

„Ich ermutige jeden Einsteiger und jede Einsteigerin dazu, einfach mit dem Pflanzen loszulegen. Man braucht kein besonders großes Budget oder einen grünen Daumen“, sagt Daniela. „Man sollte nur ein wenig Mut, Geduld und Experimentierfreudigkeit mitbringen.“

Das klingt alarmierend! Wie kommt es dazu?

Gründe hierfür sind insbesondere die Zerstörung der Insektenlebensräume sowie der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft. Die Auswirkungen dieses massiven Artensterbens sind weitreichend – es muss dringend gehandelt werden! Es sind nicht nur viele Schmetterlinge gefährdet, sondern auch ein Großteil der solitär lebenden Wildbienen, die – im Gegensatz zu Honigbienen – auf bestimmte Pflanzen angewiesen sind.

Pollenreiche Wildpflanzen wie der Natternkopf bieten für Insekten eine tolle Nahrungsquelle.

Wenn es um den Insekten- und Naturschutz geht, zählt jeder noch so kleine Beitrag.

Was können wir gegen das Artensterben unternehmen?

Zwar werde ich die Probleme mit meinem 8 qm großen Balkon nicht alleine lösen können, doch ich bin fest davon überzeugt, dass jede/r Einzelne durch das naturnahe Bepflanzen von Gärten, Balkons oder Fensterkästen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten kann. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele unterschiedliche Insekten man mit den richtigen Pflanzen anlocken kann! Wenn es um den Insekten- und Naturschutz geht, zählt jeder noch so kleine Beitrag.

Borretsch gedeiht auf dem heimischen Balkon ausgesprochen gut. Das Gurkenkraut kann als Gewürz- und Heilpflanze verwendet werden.

Hübsch und nützlich zugleich: Hochbeete sind nicht nur ein toller Blickfang, sie versprechen auch gute Pflanzerfolge.

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Welche Pflanzen würdest du denn für Gärten und Balkone empfehlen?

Bei der Wahl meiner Balkonpflanzen achte ich darauf, dass von Frühling bis Herbst stets etwas blüht. Davon profitieren nicht nur die Insekten, sondern auch ich kann mich fast ganzjährig an blühenden Pflanzen erfreuen:

  • Im März beginnen die Zwiebeln (Muscari) zu blühen.
  • Im April folgen die Schlehe und ein paar Stauden (Bergsteinkraut, Kuhschelle, Schlüsselblumen).
  • Im Mai fangen die restlichen Stauden explosionsartig an zu blühen: Wiesenwitwenblume, Flockenblume, Steppensalbei und Glockenblumen. Sie blühen meist bis Ende Juli, durch Rückschnitte sogar bis in den Herbst.
  • Im Juni und Juli starten die Spätblüher durch: Skabiosen, Natternkopf, Wegwarte, Blutweiderich, Malve und die Bergminze.
  • Ab August blüht dann auch die Kalkaster. So blüht es auf meinem Balkon bis Oktober, manchmal sogar bis in den Dezember.

„Zwar ist die Blütenpracht auf einem schattigen Nordbalkon nicht ganz so bunt und üppig wie auf einem Südbalkon, doch auch hier lassen sich tolle Kombinationen finden“, erklärt Daniela.

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Welche deiner Pflanzen sind besonders pflegeleicht?

Eigentlich sind alle meine Pflanzen sehr pflegeleicht und machen mir erstaunlich wenig Arbeit. Schließlich sind es zum größten Teil heimische Wildpflanzen, die das deutsche Klima gewohnt sind und daher keine besondere Pflege benötigen.

Besonders pflegeleicht ist zum Beispiel Blutweiderich, der sowohl in der Sonne als auch im Schatten zurechtkommt. Er blüht bis in den Herbst und zieht viele Wildbienen an.

Sehr anspruchslos: Flocken- und Glockenblumen, die Wegwarte, Kräuter, der Natternkopf und die Fetthennen. Auf dem Bild erfreut sich eine Hummel an der Flockenblume (Centaurea jacea).

Du achtest zudem auf nachhaltige torffreie Erde. Warum ist diese zu empfehlen?

Das stimmt, ich verwende ausschließlich torffreie Erde. Die Torfgewinnung führt zur Zerstörung der Moore. Dadurch gehen nicht nur Biotope verloren, sondern es werden auch große Mengen an klimaschädlichem CO2 freigesetzt.

Und wie können wir beim Pflanzenkauf auf Nachhaltigkeit achten?
  • Man sollte am besten nur Pflanzen erwerben, die in Mitteleuropa heimisch sind und die daher auch unsere heimischen Insekten anziehen. Vor allem Wildpflanzen, die viel Nektar oder Pollen enthalten, bieten für Insekten, einschließlich hochspezialisierter Wildbienen, eine tolle Nahrungsquelle.
  • Ideal ist, wenn die Gärtnereibetriebe, von denen man kauft, Mitglieder des Naturgarten e.V. – dem Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung – sind, sodass man sich auf eine pestizidfreie Anzucht der Pflanzen verlassen kann.
  • Ich stelle gerne kleine flache Wassertränken sowie Nisthilfen für die Insekten bereit. Aufgrund dieser insektenfreundlichen Maßnahmen hat sich mein Balkon mittlerweile zu einem kleinen, feinen Ökosystem etabliert.
  • Ich verzichte auf Pflanzenschutzmittel, denn Schädlinge wie Blattläuse werden von Vögeln, Marienkäferlarven und Wespen gefressen.
  • Da meine Pflanzen zudem winterhart sind und nach dem Winter wieder neu austreiben, spare ich Kosten, Materialien und Zeit und kann so mein kleines Naturparadies in vollen Zügen genießen.

Ob rundblättrige Glockenblume oder Wegwarte – Daniela bemüht sich, ihren Balkon möglichst umweltfreundlich und nachhaltig zu bepflanzen und zu pflegen.

Was rätst du Anfängern, die in die Balkonbepflanzung einsteigen möchten?

Bei der Frage, welche Pflanzen sich am besten für einen Balkon eignen, kommt es in erster Linie auf die Balkonverhältnisse an. Daher empfehle ich, zunächst eine kleine „Balkonanalyse“ durchzuführen:

  • In welche Himmelsrichtung ist der Balkon ausgerichtet?
  • Wie viel Sonne, Schatten oder Wind bekommt er?
  • Im nächsten Schritt kann man sich auf den Webseiten der Wildpflanzengärtnereien (etwa bei den Mitgliedsbetrieben des Naturgarten e.V.) inspirieren lassen.
  • Wer von der riesigen Auswahl an heimischen Wildpflanzen überfordert ist, dem empfehle ich ein bereits zusammengestelltes Pflanzenpaket, zum Beispiel mit Pflanzen für einen schattigen Balkonkasten. Solche „Starter-Kits“ bieten mittlerweile viele Gärtnereibetriebe an.
  • Als Anfänger greift man am besten erst mal auf fertig gemischte (torffreie!) Bioblumen- bzw. Pflanzerde zurück.
  • ​Für weitere hilfreiche Tipps empfehle ich „Das Wildpflanzen Topfbuch“ von Reinhard Witt, dem Gründer des Naturgarten e.V.

Ein kleines Paradies für Hummeln und Mauerbienen: Danielas Steppensalbei und Traubenhyazinthen

Welche Tipps hast du jeweils zur richtigen Bepflanzung von sonnigen und halbschattigen Balkonen?
  • Für einen sonnigen Südbalkon eignen sich vor allem einfache Kräuter wie Thymian, Schnittlauch, Rosmarin und Salbei. Über sie freuen sich nicht nur die Insekten, sondern sie verfeinern auch das ein oder andere mediterrane Gericht. Möchte man dazu noch blühende Stauden auf seinem sonnigen Balkon haben, bieten sich trockenheitsliebende Pflanzen wie Steppensalbei, Wiesenwitwenblumen, Gamander, Bergminze, Dost, Fetthennen, Lavendel, Blauer Lein oder Mauerpfeffer an.
  • Ein Halbschattenbalkon bietet sehr viele Möglichkeiten, da es auf ihm nicht so heiß wird wie auf einem Südbalkon, die Pflanzen aber dennoch viel Licht erhalten. Hier gedeihen sowohl schatten- als auch viele sonnenliebende Pflanzen – da gilt es einfach zu experimentieren.
Welche Pflanzen eignen sich für Kübel?

Für größere Kübel bieten sich zum Beispiel die Wald-Witwenblume, Große Sterndolde, Mondviole oder Gelber Salbei an. Die Große Sternmiere, Zimbelkraut, Waldehrenpreis sowie der Waldstorchschnabel kommen auch mit kleineren Kübeln und weniger Platz zurecht.

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Trotz umständlicher Winterschutzmaßnahmen überlebten Danielas erste Balkonblumen aus dem Baumarkt den Berliner Winter nicht. Von da an beschloss sie, sich ausschließlich der heimischen Flora zu widmen.

Verrätst du uns, wie du deine Leidenschaft für Wildpflanzen entdeckt hast?

Als ich vor vier Jahren das erste Mal in eine Wohnung mit Balkon zog, kaufte ich mir zunächst die klassischen Baumarktblumen: Geranien, gefüllte Nelken, Primeln. Bis auf eine einzige einsame Honigbiene, die sich auf meinen Balkon verirrte, blieb das große Summen auf meinem Balkon jedoch aus. Daraufhin fragte ich mich, wie ich meinen Großstadtbalkon bienenfreundlicher gestalten könnte. Ich stieß auf den Naturgarten e.V. und Reinhard Witt, der mich inspirierte, meinen Balkon zusätzlich mit heimischen Wildpflanzen auszustatten.

Für einen tollen Überraschungseffekt empfiehlt Daniela, im Frühjahr eine einjährige Wildblumenmischung direkt in die Balkonkästen zu säen.

Was wünscht du dir für die Zukunft?

Inzwischen konnte ich auch einige Freunde für mein bienenfreundliches Balkonkonzept begeistern. Ich hoffe, dass wir gemeinsam noch viel mehr Menschen von den Vorzügen des nachhaltigen Gärtnerns überzeugen können, sodass sich der Trend weg von Geranien, Petunien und Co. und hin zu vielfältigen, insektenfreundlichen, heimischen Wildpflanzen bewegen wird.

Herzlichen Dank, liebe Daniela, für das informative Interview und die tollen Bepflanzungstipps!

Noch mehr Einblicke in Danielas Leben und Pflanzenvielfalt gibt es hier zu entdecken.

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