„In der Theorie liebe ich es minimalistisch.“ – Zu Besuch bei Asticot in Berlin

von Sebastian

Das von Bruno Taut entworfene Reihenmittelhaus erstreckt sich inklusive Erdgeschoss über drei Etagen, ist vollunterkellert und verfügt über einen ca. 200 qm großen Garten.

Heute öffnet uns Christina aka @Asticot die Tür zu ihrer Berliner Schatzkammer, die sich wie das A(rne Jacobsen), B(ertoia), C(omponibili) der Designklassiker liest. Die gebürtige Rheinländerin ist schon weit herumgekommen: Nachdem sie in allen Himmelsrichtungen Deutschlands und im Ausland gelebt, studiert und promoviert hat, ist sie 2016 mit ihrer amerikanisch-deutsch-französischen Familie in einem ganz besonderen Haus in der Hufeisensiedlung in Berlin sesshaft geworden.

Wir haben von Christina mehr über den Architekten Bruno Taut erfahren und uns darüber unterhalten, wie wichtig ein guter Architekt ist beziehungsweise welchen Einfluss er auf unser (Zusammen-)Leben hat. Außerdem hat uns Christina malerisch schöne Tipps für Brandenburg mitgegeben.

Licht, Luft und Sonne für alle: Die Hufeisensiedlung ist zu Beginn der 1920er-Jahre als Antwort auf die überfüllten Mietskasernen entstanden. Es gibt Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser mit Sattel- oder Pultdach, die entweder fünf oder sechs Meter breit und acht Meter lang sind.

Liebe Christina, wie würdest du deinen Wohnstil in drei Worten beschreiben?

Bauhaus meets Mid-Century.

Bei dir vergeht kein Tag ohne:

Etwas umzuräumen und zu verändern.

Was liebst du an deinem Zuhause besonders?

Die Menschen, mit denen ich zusammen wohne, meine Nachbarn und die Idee hinter den Häusern und deren Charme.

Christina ist Ende dreißig und arbeitet in einem Ministerium in Berlin-Mitte. Ihr Mann kommt aus dem Südwesten Frankreichs. Da ihr Sohn in Washington DC geboren wurde, hat er nun drei Pässe.

Ihr lebt in einem besonderen Haus ...

Ja, wir leben in einem denkmalgeschützten Haus des Architekten Bruno Taut. Unser fünf Meter breites und acht Meter langes Reihenmittelhaus ist Teil der Hufeisensiedlung, die seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Die Tuschkastensiedlung ist die ältere Schwester der Hufeisensiedlung. Im Vergleich ist diese Siedlung von Bruno Taut mit ihren tollen Farben noch etwas verspielter und „idyllischer“. Serielles Bauen gegenüber individueller Gestaltung ist bei Taut kein Gegensatz, sondern gehört zusammen: Unter seinen 679 Reihenhäusern der Hufeisensiedlung gibt es 285 Subtypen, die sich in Anordnung und Wahl der Fenster, des Treppenaufgangs und der Farben unterscheiden.

Was für Christina ein schönes Zuhause ausmacht? „Die Menschen, die darin leben!“

Wie seid ihr zu eurem Haus gekommen?

Wir haben das Haus von den USA aus gesucht. Eine Freundin schwärmte mir vom Leben in der Tautsiedlung in Onkel Toms Hütte vor und ich wusste: Das ist es!

Und dann? Ihr wart ja in den USA ...

Während einer Reise nach Deutschland schaute ich mir Häuser in der besagten Siedlung an und war direkt verliebt! Leider überstiegen die Hauspreise dort unser Budget. Der Tautsche Stil gefiel mir aber so gut, dass ich mich nach weiteren Siedlungen von ihm umschaute ... so kam ich dann auf die Hufeisensiedlung. Das war ein Volltreffer! Denn zufällig suchte gerade in dem Moment ein bereits saniertes Haus einen neuen Besitzer.

Was ist das Besondere an den Häusern?

Sie sind klein und funktional. Ursprünglich hat jedes Zimmer eine andere Farbe. Und trotz der Einheitlichkeit sind alle Häuser irgendwie besonders. Das liegt daran, dass Taut sowohl mit Farbe als auch mit Topografie und Ausrichtung gearbeitet hat.

Worauf legst du bei der Gestaltung deines Zuhauses Wert?

Ich mag es aufgeräumt und hell. In der Theorie liebe ich es minimalistisch, in der Praxis scheitert es an der Umsetzung. Ich mag es, Dinge schnell verändern zu können.

Derzeit mag Christina Leinen besonders. Raue Keramik findet sie wunderschön, aber auch Holz mag sie sehr.

Bei dir findet man viele Designklassiker. Weißt du noch, welchen du als Erstes gekauft hast?

Mein erster Designklassiker ist der Eames-Fiberglas-Schaukelstuhl. Herman Miller hat bereits vor ca. sieben Jahren (wie Vitra jetzt) eine Fiberglasversion der Schale eingeführt. Viele meiner Möbel habe ich in den USA gebraucht gekauft – der Bertoia-Stuhl stammt zum Beispiel aus einer alten Behörde.

Alt trifft Neu: Die grünen Fliesen waren schon vorhanden. Der Familie gefiel die Idee, etwas Vorhandenes in die neue Küche zu integrieren. Wenn wir Christina besuchen kommen würden, gäbe es übrigens eine Summerbowl und zum Nachtisch Rhabarber-Crumble.

Christina liebt es, wenn Möbel Geschichten erzählen. Der Bertoia Chair von Knoll stammt aus einer alten Behörde.

Drei Dinge, die wir noch nicht über dich wissen:

1. Ich habe Improtheater gespielt.
2. Ich bin die älteste von drei Schwestern.
3. Ich hatte mein erstes graues Haar mit 20.

Und wie fühlt es sich an, in der Siedlung zu leben?

Es ist ein bisschen wie auf einem Dorf in einer Stadt. Trotzdem sind wir in drei Minuten an der U-Bahn, die uns schnell nach Neukölln, Kreuzberg oder Schöneberg bringt. Es gibt hier gemeinsame Feste und Flohmärkte. In der UNESCO-Infostation wird freitag- und sonntagnachmittags ein ehrenamtliches Café betrieben. Freitags gibt es auch einen kleinen Markt.

Designerstücke wie der Prouvé-Stuhl treffen auf junge Designklassiker wie die Muuto Dots.

Was würdest du am Haus verändern, wenn Geld keine Rolle spielen würde?

Den Keller ausbauen, ein zweites Bad einbauen und eine neue Terrasse.

Und wie sähe dein Traumzuhause aus?

Das wäre das Fallingwater House von Frank Llyod Wright.

Was war deine größte Interiorsünde?

Ich hatte in meinem WG-Zimmer die Wände himbeerpink angemalt und extravagante Taschen aus Plüsch an die Wand gehangen …

Das tolle original Grete-Jalk-Sofa aus Palisander bezeichnet Christina als Fehlkauf. Es hat nicht so ganz seinen Zweck erfüllt, da es Teilen der Familie als Liegesofa nicht bequem genug gewesen ist. Nun steht es im Gästezimmer. Falls jemand Interesse hat, kann er sich gerne bei Christina melden.

Oh, wie schön ist Brandenburg! Ausflug zur INSL in Kyritz an der Knatter.

Du verzauberst uns auf SoLebIch immer wieder mit traumhaften Bildern aus dem Berliner Umland …

Da reise ich ganz gerne hin und bleibe in schönen Unterkünften. Im Blog Liebling Brandenburg und Liebling Mecklenburg stellt eine Freundin und Nachbarin von mir wunderschöne Ferienunterkünfte vor. So waren wir letztes Jahr in Kyritz an der Knatter und haben in einem Kleinsthaus gewohnt (die Alte Schule Brandenburg ist auch ein toller Ort). Den Tag haben wir auf der INSL verbracht, dort habe ich auch in einem Workshop vom muckout Makramee gelernt. Toll war es auch auf dem Re:hof Rutenberg, in der Bauernkate Klein-Thurow und auf dem Gutshof Kraatz. Letzten Sommer waren wir für ein paar Tage auf dem GutWolletz. Ansonsten reisen wir oft nach Südwestfrankreich, die Heimat meines Mannes.

Im häufigen Umgestalten und Umräumen erkennt sich Christina selbst am deutlichsten wieder: „Ich selber vertrage Stillstand und Ruhe nur sehr schlecht.“ Auch unter dem Dach wurde umgeräumt: Aus dem Schlafzimmer wurde …

… ein Arbeits- und Gästezimmer.

Gibt es für dich einen besonderen SoLebIch-Moment?

Ich habe SoLebIch in meiner sehr kurzen Elternzeit kennengelernt, daher auch der Name „Asticot“: Asticot heißt Würmchen auf Französisch und war damals der Spitzname unseres Sohnes. Zudem fand ich es großartig, auf der SoLebIch-Weihnachtsfeier 2016 in Berlin einige SoLebIch-Mitglieder kennenzulernen. Außerdem habe ich über SoLebIch eine sehr nette neue Nachbarin – mittlerweile eine Freundin – kennengelernt.

Welche drei Einrichtungsgegenstände würdest du aus deinem Zuhause retten, wenn es brennen würde?

Den alten Globus, den alten Eames Chair und das Grete-Jalk-Sofa – alles Gegenstände, die eine Geschichte erzählen und die man nicht so einfach nachkaufen kann.

Den alte Eames DCW von 1952 bezeichnet Christina als ihren Lieblingseinrichtungsgegenstand. Es ist ein eBay-Glücksfund – ebenfalls aus den USA.

Welche Frage hätten wir dir noch unbedingt stellen sollen?

Was die größte Herausforderung an dem Haus ist.

Und?

Das ist der lange schmale Garten … für Tipps und Ideen bin ich immer sehr dankbar!

Auf Christinas Wunschzettel steht eine neue Terrasse und ein Gartenhaus.

Liebe Christina, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!

Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @Asticot hier folgen.

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Kommentare (17)

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