Heute wird’s huamelig, eardig und gsellig. Wieso? Weil wir bei Claudia (57) aka @tirolliving im Tiroler Mittelgebirge zu Besuch sind. Unweit von Innsbruck wohnt die gebürtige Flensburgerin gemeinsam mit ihrem Mann und jüngstem Sohn auf dem Mieminger Plateau. Die 150 qm große Vier-Zimmer-Wohnung mit dem Kreuzgewölbe und den noch vorhandenen Originaltüren ist ein gemütlicher Ort mit selbst gemachten Möbeln, Flohmarktfunden, Fundstücken und Urlaubserinnerungen.
Ein Gespräch in den Bergen über die Sehnsucht nach dem Meer, über das Auswandern, Umziehen, räumliche Verkleinern und über die Liebe, Altes zu neuem Leben zu erwecken. Hereinspaziert!
Liebe Claudia, bitte erzähle ein bisschen über dich.
Ich bin mittlerweile 57 Jahre alt, fühle mich aber überhaupt nicht so „alt“, bin sportlich, immer noch neugierig, wahnsinnig ungeduldig und schnell in Entscheidungen und der Umsetzung neuer Ideen. Mein Job liegt im Nachbarort, wo ich seit knapp 13 Jahren in dem ersten und nach wie vor einzigen klimaneutralen Hotel Österreichs halbtags arbeite. Ich bin zuständig für die Mitarbeiter, das Controlling und für verschiedene Projekte in Sachen Klima und Umwelt. Als Ausgleich dazu darf ich mich auch um grundlegende gestalterische Elemente und die Dekoration kümmern.
Gebürtig kommst du aber nicht aus Tirol …
Ich bin im hohen Norden in Flensburg geboren und habe dort die ersten 24 Jahre meines Lebens verbracht. Nach Stationen in Würzburg, Karlsruhe, Essen und Dortmund sind mein Mann und unsere drei Kinder 2002 nach Tirol übersiedelt. Wir sind damals aufgrund einer beruflichen Veränderung meines Mannes, der ein Forschungszentrum in Innsbruck führen durfte, nach Österreich gezogen. Wir haben diesen Schritt bisher keine Sekunde bereut: Leben dürfen, wo andere Urlaub machen, sehen wir als großes Geschenk an!
Aber hier auf dem Mieminger Plateau wohnt ihr nicht von Anfang an in eurer jetzigen Wohnung …
Anfangs hatten wir ein typisches Tiroler Haus gemietet. Nach zwei Jahren war uns allen klar, dass wir hier endlich sesshaft werden wollen, und schauten uns nach einem Grundstück um. Ein Jahr verging dann noch, bis wir in unser Haus gezogen sind: ein 280 qm großes Architektenhaus in Holzständerbauweise – lichtdurchflutet, mit leichter Hanglage und einem wunderschönen Garten auf drei Ebenen.
Dort wohnt ihr jetzt aber nicht mehr …
Tja, die Kinder wurden groß, erst zog der Älteste aus und ging zum Studieren nach Innsbruck, dann folgte ein Jahr später die Tochter, die es ebenfalls nach Innsbruck zog.
Neben dem nun eigentlich zu großen Haus für uns drei waren unsere latente Rastlosigkeit und der Wunsch nach etwas Neuem sowie die Gelegenheit, eine wirklich außergewöhnliche Wohnung zu ergattern, die Gründe, unser Haus zu verkaufen. Als wir die Wohnung im Dezember 2016 noch im „Rohbau“ besichtigten, haben wir uns sofort in das Kreuzgewölbe und die noch vorhandenen Originaltüren verliebt. Wir haben die Wohnung dann noch mit dunkelgrauen Steinfliesen und Holzböden ausgestattet und sind dann im Frühjahr 2017 mit unserem Jüngsten hier eingezogen.
Claudia bewohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn die komplette erste Etage der ehemaligen Gaststätte und Pension. Das Haus ist 200 Jahre alt, wurde aber komplett restauriert.
Blick auf das Mieminger Plateau, wo Claudia mit ihrer Familie lebt
Altes Haus
Was bedeutet es dir, nach Hause zu kommen?
Das bedeutet für mich erst einmal Freude, durchatmen und ankommen. Manchmal vermisse ich den Familientrubel, aber die Ruhe hat auch etwas für sich. Alles hat seine Zeit.
Worauf legst du bei der Gestaltung deines Zuhauses Wert?
Es gab und gibt keine einheitliche Linie. Unsere bisherigen Bleiben haben sich einfach mit der Zeit entwickelt. Definitiv kein „Möbelhaus-Zuhause“. Wir mixen gerne Alt und Neu, haben viele selbst gemachte Möbel, Flohmarktfunde, Funde von Haushaltsauflösungen und Mitbringsel aus unseren Urlauben. Man findet keine Designteile bei uns. Ich freue mich immer viel mehr, wenn wir etwas Altem und Gebrauchtem zu neuem Leben verhelfen können.
Claudia liebt natürliche Materialien wie Holz und Leinen, warme Farben sowie Blau- und alle Grautöne. Eigentlich hätte sie gerne noch den Baustoff Beton in der Wohnung verarbeitet.
Was liebst du an deinem Zuhause besonders?
Ich liebe besonders die upgecycelten Teile – sei es eine alte Werkbank, die uns als Küchenblock dient, eine alte Leiter als Handtuchhalter, ein „Heumännchen“ als Garderobe oder schöne Astfunde als Wandinstallationen. Und wenn man dann noch räumlich mit einem Gewölbe und alten Türen verwöhnt wird, dann braucht‘s nicht mehr zum Glücklichsein. Nach dem Verkauf unseres Hauses haben wir einen großen Garagenflohmarkt veranstaltet und uns von vielen Dingen getrennt, da wir uns ja räumlich verkleinerten. Ich kann nur sagen, das ist unglaublich befreiend und gibt Luft für Neues.
Astfunde als Wandinstallation
Selbst gebaute begehbare Kleiderbox mit einer Schiebetür und einem „Heumännchen“ als Garderobe; der Handtuchhalter im Badezimmer ist ein Flohmarktfund.
In welchen Merkmalen deines Zuhauses erkennst du dich am deutlichsten wieder?
Definitiv in unserer Küche. Wir wollten keine vollständig maßgeschneiderte Einbauküche, sondern eine Mischung aus notwendigen Einbauten für Herd, Backofen, Spüle und Geschirrspüler und den Rest aus individuell zusammengestellten Stücken. Ich glaube, das ist uns mit der Werkbank als Küchenblock, dem kleinen grauen Geschirrschrank, der alten Vitrine der französischen Großmutter und dem drei Meter langen selbst gebauten Tisch aus heimischer Lärche ganz gut gelungen. Da mein Mann ebenfalls ein leidenschaftlicher Koch ist, verbringen wir viel gemeinsame Zeit hier.
Was würdest du uns kochen, wenn wir euch besuchen kommen?
Dann würde es sicherlich selbst gemachte Pasta geben. Ich glaube, ich könnte nur von Pasta, gutem Olivenöl, einem köstlichen Parmesan, knusprigem Brot und einem guten Wein leben. Die Pasta für euch würde ich in einer leichten Variante zubereiten mit Gemüse der Saison. Jetzt im Herbst mit gebackenem Kürbis und knusprig gebratenen Salbeiblättern. Dazu gibt es Salat. Der kommt bei uns täglich auf den Tisch.
Grauer Geschirrschrank und Küchendetails
Wie würdest du deinen Wohnstil in drei Worten beschreiben?
Unser Wohnstil ist – um es tirolerisch zu sagen – „huamelig“ (gemütlich), „eardig“ (natürlich) und „gsellig“ (einladend).
Bei dir vergeht kein Tag ohne:
Den Kaffee und die Zeitung am Morgen.
Drei Dinge, die wir noch nicht über dich wissen:
1. Ich mag keine Zahlen. Trotzdem habe ich eine Steuerlehre gemacht, Betriebswirtschaft studiert und arbeite in der Buchhaltung und im Controlling. Paradox, aber irgendwie bin ich da hineingerutscht …
2. Ich sitze beim Fernsehschauen nie auf der Couch, sondern auf dem Teppich, und nutze das Sofa als Lehne.
3. Ich hasse es, wenn Müll achtlos weggeworfen wird und noch so viele Menschen und Länder den Klimawandel als Hysterie abtun.
Welche großen Wünsche würdest du dir erfüllen, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Mein Mann und ich würden gerne noch einmal einen alten Stadel umbauen, mit alten Baustoffen in Verbindung mit modernen Materialien wie Beton und Stahl, mit viel Licht, aber auch urigen und lauschigen Plätzen. Und mit einem kleinen, wilden Garten, denn den vermisse ich manchmal – nicht unbedingt die Arbeit, aber das viele Grün.
Und welchen Wunsch würdest du dir gerne in der aktuellen Wohnung erfüllen?
Definitiv einen Kachelofen. Der gibt länger Wärme ab als ein Schwedenofen und ist mit einer Bank davor so unglaublich gemütlich. Aber die Kosten und vor allem der mit dem Bau verbundene Dreck sind momentan noch abschreckend.
Gästezimmer
Schlafzimmer
Was war deine größte Interior-Sünde?
Ich habe über diese Frage wirklich nachdenken müssen und bin dann in der Erinnerung zu dem Schluss gekommen, dass es keine einzelnen Möbelstücke waren, sondern zweimal ganze Wohnungen, in denen wir uns nie wohlfühlten, keine Leidenschaft und Liebe beim Einrichten entwickelten und dann auch schnell wieder ausgezogen sind. Fotos aus diesen Lebensphasen rufen in uns regelrechtes „Oh Gott, wie waren wir nur eingerichtet!!!“ hervor.
Ausblick vom Balkon
Hast du noch andere Leidenschaften neben dem Einrichten?
Ich liebe es, mich in der Natur aufzuhalten. Biken und Wandern in den Bergen vor der Haustür und die schönsten Panoramen zu haben – das macht mich glücklich!
Ich habe in den 1990ern damit begonnen, alte Hölzer zu bemalen. Treibhölzer mit eher maritimen Motiven, als wir noch im Norden lebten, und später altes Bauholz mit Hühnern, Enten oder Kühen. Leider fehlt mir seit einiger Zeit die Lust und die Inspiration dazu und ich fertige nur noch nach Auftrag. Es gibt aber bereits neue kreative Ideen im Kopf, die noch a bisserl reifen müssen ;-)
Wie und wohin reist du gerne?
Unsere Urlaube verbringen wir mindestens einmal im Jahr in unserem Lieblingsland Frankreich. Mein Mann ist halber Franzose und deshalb ist es schon ein MUSS. Wir lieben die Sprache, das gute Essen und die Vielfältigkeit des Landes, die Städte, die Meere ... Meistens sind wir im Süden in der Nähe von St. Tropez, da es von uns am schnellsten erreichbar ist und unsere Sehnsucht nach Sonne und Lebensgefühl befriedigt. Aber auch der Atlantik hat für uns seinen Reiz. Ich habe so viele Jahre
an der Ostsee am Meer gelebt und brauche mindestens einmal im Jahr das Gefühl von Weite, salzhaltiger Luft, Sand unter den Füßen und Meeresfrüchten satt.
Dieses Jahr war Claudia in Südfrankreich.
Gibt es für dich einen besonderen SoLebIch-Moment?
Der erste besondere SoLebIch-Moment war die Entdeckung dieser Community: die schönen inspirierenden Einrichtungen, zu sehen, wie andere leben, die interessanten und sympathischen Homestorys … Der zweite besondere Moment waren nach den ersten geposteten Bildern die netten und herzlichen Kommentare. Man hat sofort das Gefühl, in einer einrichtungsbegeisterten Familie aufgenommen worden zu sein. Ich bin ja noch nicht so lange dabei, aber ich würde mich sehr freuen, wenn ich auf einer eurer Veranstaltungen auch die Menschen, die hinter den Bildern stecken, persönlich kennenlernen dürfte.
Liebe Claudia, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!
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