„Sterile Katalogeinrichtungen langweilen mich schnell!“ – Zu Besuch in der Altbauwohnung von Bylle in Berlin

von Claudia H.

Liebenswert, individuell und sehr stilvoll: Um das Zuhause von Sibylle alias @Bylle in Berlin zu beschreiben, braucht es eigentlich mehr als ein paar Zeilen. Denn die 80 qm große Beletage von 1895, die sie gemeinsam mit ihrem Mann bewohnt, ist ein spannendes Ensemble aus Flohmarktfunden und Erinnerungsstücken, originalen Bauhaus-Möbeln und tollen Designerleuchten. Den Bogen zwischen Alt und Neu schlagen ausgewählte Blautöne, die dem fröhlichen Mix ein ruhiges Gegengewicht setzen.

Sibylle hat uns in ihr Zuhause mitgenommen und uns nicht nur ihre Lieblingsorte, sondern auch ihre schönsten (und seltensten!) Flohmarktfunde gezeigt. Auch ein Einrichtungstipp, speziell für Sammler, durfte nicht fehlen. Den Grundriss ihrer Altbauwohnung gibt es am Ende des Beitrags zu sehen.

Sibylles 80 qm große Altbauwohnung besteht aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad und einer Abstellkammer. Einige schöne Altbaudetails, wie die hohen Decken, Flügeltüren und Stuck, sind bis heute erhalten. Im Wohnzimmer gesellen sich Stahlrohrsessel von Thonet zu Beistelltischen von HAY und Bücherregalen von Hellerau aus den 50er-Jahren. Die Stehleuchte ist das Modell KAISER idell 6556 von Fritz Hansen.

„Unsere Einrichtung ist immer in Bewegung, so wie wir selbst es sind.“

Sibylle ist 59 Jahre alt und seit 37 Jahren Lehrerin in Berlin. Gerade ist sie an die Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin gewechselt und unterrichtet die Klassen 5–13 in den Fächern Deutsch und Ethik. „Ich bin sehr kunstinteressiert, liebe Filme und Fotografie und bin immer neugierig auf die Wohnungen anderer“, sagt sie von sich selbst.

Liebe Sibylle, dein Mann und du wohnt erst seit Kurzem gemeinsam in Berlin …

Das stimmt. Zwar bin ich schon vor 15 Jahren in meine Beletage im Prenzlauer Berg gezogen, zusammen leben wir hier aber erst seit dem letztem Jahr. Mein Mann kommt ursprünglich aus Hamburg und hat die letzten Jahre in Linz gearbeitet. Eine Weile haben wir gemeinsam in Österreich gelebt und auch dort geheiratet. Als er dann zu mir nach Berlin kam, bedeutete das auch, zwei Haushalte zusammenzuführen.

Stört dich der Möbelmix, der aus den zwei Haushalten entstanden ist?

Überhaupt nicht! Ich mag es sehr, dass bei uns nicht alles aus einem Guss ist. Den Mix von schönen Dingen und Möbeln, das Individuelle, das Alte und Neue, das Seltene und Besondere machen die Wohnung für mich lebendig. Sterile Katalogeinrichtungen langweilen mich schnell! Die Einrichtung ist bei uns immer in Bewegung, so wie wir selbst es sind.

„Flohmarktschätze sind meine Spezialität!“, sagt Sibylle. Tatsächlich stammen viele (Designer-)Stücke in ihrer Wohnung aus zweiter Hand. Die Scherenleuchten im Schlafzimmer zum Beispiel sind aus den 50er-Jahren und aus einer alten Tischlerei. Das Boxspringbett ist von IKEA, ihre Leinenbettwäsche kauft sie gerne bei Marc O’Polo und H&M Home.

Ist die Suche nach dem Besonderen auch der Grund, warum du so gerne auf Flohmärkte gehst?

Ja, es ist unverkennbar, dass ich eine Jägerin und Sammlerin bin! Dennoch muss ich mich zügeln, denn zu vollgestellt möchte ich die Wohnung auch nicht haben. Von manchen Schätzen trenne ich mich nach ein paar Jahren wieder, einige bleiben für immer, zum Beispiel alte Leuchten.

Ein Faible für Farbe: In der Wohnung finden sich viele blaue Akzente, die für Frische und Wohnlichkeit sorgen. „Blautöne mögen wir sehr, vor allem punktuell gesetzt, um Kontraste zu schaffen oder Bereiche abzutrennen, wie es im Wohnzimmer der Fall ist“, erklärt Sibylle. „Auf diese Weise entsteht für uns die gewünschte Nestwärme, Gemütlichkeit.“

Was ist dein größter Glückskauf?

Ich habe mehrere Glückskäufe, vor allem aber die originalen Stahlrohrsessel von Thonet. Aber auch der originale Bauhaus-Tisch und das Freischwinger-Ensemble S43 von Mart Stam.

Sibylles Wohnstil? „Die 20er, 30er, 50er und das Beste von heute“, lacht sie. „Sorry, mein Mann ist ein Radiomensch!“ Zu neuen Holzfenstern und dem Echtholzparkett im Wohnzimmer hat sie den originalen Bauhaus-Tisch und das Freischwinger-Ensemble von Mart Stam kombiniert. Die gemütliche Sitzecke ist Sibylles Lieblingsplatz, um ganz in Ruhe einen Kaffee zu trinken.

„Durch Blautöne entsteht für uns die gewünschte Nestwärme.“

Im Essbereich des Wohnzimmers dominieren Pastellfarben. Die Vitrinen sind aus der FABRIKÖR-Reihe von IKEA. „Sie sind super nützlich“, findet Sibylle. „Ich habe nämlich unendlich viel Geschirr und benutze es auch!“

Wo befindet sich dein Lieblingsort zu Hause?

Im Sommer sind meine Lieblingsorte die beiden Balkone. Das Treiben auf der Allee zu beobachten, ist wunderbar! Ich kenne viele Nachbarn im Kiez und oft gibt es eine Plauderei von „oben herab“ mit ihnen. Im Winter ist der schönste Platz im Wohnzimmer das Daybed aus den 30ern. Es ist groß und eignet sich für einen Mittagsschlaf, zum Lesen, zum Träumen, zum Fernsehen.

Sibylles Wohnung verfügt über zwei Balkone. Einer ist nach vorn zur lebhaften Allee hin ausgerichtet (links), vom anderen, der vom Schlafzimmer ausgeht, blickt man in den ruhigen Hinterhof. Die beigen Armlehnstühle (rechts) sind aus der TORPARÖ-Reihe von IKEA, der kleine Balkonklapptisch stammt von Butlers. Zum Sonnenschirm von Glatz fügt sich ein hübscher Outdoorteppich von Pappelina.

„Ich hänge an allen Sachen, die etwas schräg, originell und auch selten sind.“

Sibylles Vintage-Daybed soll bald einen neuen einfarbigen Bezug bekommen, dazu passende Kissen im Bauhaus-Design. „Manufactum oder ars designio bieten die Kissen ‚Mikkel‘ der Marke Roros an“, erklärt sie. „Diese müssen dann unbedingt auf das Daybed, ebenso ein passendes Plaid!“ Die 30er-Jahre-Tischleuchte (links) stammt aus der Koranda-Manufaktur in Wien, die Pinguin-Vasen sind von IKEA.

Welcher Einrichtungsgegenstand liegt dir besonders am Herzen?

Ich kann mich nicht entscheiden. Ich hänge an allen Sachen und Dekoideen, die etwas schräg, originell und auch selten sind.

Und wenn du uns ein paar verraten müsstest, welche wären das?

Zum Beispiel habe ich eine Weile alte Handtaschen auf Flohmärkten erworben, die nun an der Wand im Flur hängen. Im Wohnzimmer ist das Besondere die originale Bauhaus-Miniatur aus einem Musterkoffer, im Bad ist es die praktische Gepäckablage aus einem alten Zug, die heute die Handtücher aufbewahrt.

Sibylles Handtaschen vom Flohmarkt hängen griffbereit an der Wand im Flur und laden bei Gästen zum Plaudern ein. „Sie sind einfach zu schön, um in einer Kiste zu lagern“, findet sie. Die Bauhaus-Miniaturen sind original aus den 30er-Jahren.

Welchen Einrichtungstipp würdest du anderen mit auf den Weg geben?

Wenn man zum Sammeln neigt: Für ein neu erworbenes Stück sollte auf jeden Fall ein anderes aus der Wohnung gehen. Das habe ich auch selbst akzeptieren gelernt und kenne da keinen Trennungsschmerz. Eine Einrichtung ist nie fertig und endgültig – sie entwickelt sich mit uns mit!

Klein, aber fein: Sibylles schmales Arbeitszimmer wirkt aufgeräumt und gemütlich. „Es war ein Wagnis, die kräftigen Farben zu nehmen“, gesteht sie. „Ich wollte das Zimmer optisch verbreitern, was auch gelungen ist.“ Das kleine Bauhaus-Holzschiff stammt ursprünglich aus der Feder von Alma Siedhoff-Buscher und wird heute vom Schweizer Unternehmen Naef produziert.

Drei Dinge, die wir noch nicht über dich wissen:

  1. Ich trage wahnsinnig gern Streifenshirts.
  2. Ich probiere gern und immer Neues aus. In Österreich hatte ich die Möglichkeit, am renommierten Landestheater Linz als Souffleuse zu arbeiten. Beim Prozess einer Theaterinszenierung von Anfang an dabei zu sein, hat mich enorm begeistert! Nach meiner Pensionierung würde ich daher gern an einem Berliner Theater soufflieren.
  3. In brenzligen Situationen bleibe ich entspannt. Als ich im Begriff war, eine neue Eisenpfanne einzubrennen, rief meine Nachbarin wegen der ungewöhnlichen Rauchentwicklung die Feuerwehr. Vier Einsatzfahrzeuge mit Tatütata standen vor der Haustür, die lebhafte Allee war wie eingefroren. Das war ein irres Bild und unvergesslich zugleich!

„Ich bin sehr impulsiv und habe ein gutes Vorstellungsvermögen, daher wage ich gerne Spontankäufe“, erklärt Sibylle. „Entpuppt es sich doch als Fehlkauf, verkaufe ich das Möbel oder Accessoire direkt wieder.“ Ihren Biedermeier-Tisch in der Küche hat sie kürzlich gegen einen von IKEA getauscht. Um ihn reihen sich Stühle von Fritz Hansen, Knoll und Vitra. Die Pendelleuchte ist das Modell Flowerpot VP1 von &Tradition.

Welche Frage hätten wir dir noch unbedingt stellen sollen?

Was magst du an deiner Mietwohnung nicht?

Und was magst du daran nicht?

Die Raufasertapete in allen Zimmern und die in die Jahre gekommene Einbauküche. Das ist das schwere Los, wenn man nur Mieterin ist.

Der aktuelle Grundriss von Sibylles Wohnung. Die Raumaufteilung musste bei der Sanierung verändert werden, um das Bad in die Wohnung zu integrieren. Zuvor befand sich die Toilette auf dem Hausflur.

Liebe Sibylle, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!

Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @Bylle hier folgen.

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