„Ich bin absolut kein Fan davon, wenn man alten Häusern ‚ihr Gesicht nimmt‘.“ Karina aka @kleinstadtklischee ist Gartenarchitektin und lebt mit ihrer Familie in der kleinen Stadt Zistersdorf im schönen Weinviertel in Niederösterreich. Zwei Jahre lang haben sie ein 50er-Jahre-Haus zu 80 % in Eigenregie mit der Verwandtschaft kernsaniert. Warum die zweijährige Umbauphase nicht leicht war, warum sich manchmal ein zweiter Blick lohnt und wie aus dem zwischenzeitlich nur noch als Ziegelhülle und Dachstuhl existierenden Haus ein Zuhause wurde, erfahren wir heute im neuen Teil der Serie „Projekt Traumhaus“.
Am Ende des Interviews findet ihr ein detailliertes Herstellerverzeichnis und Grundrisse.
Liebe Karina, wie wohnst du?
Ich wohne mit meiner Familie – das sind mein Lebensgefährte Christian, mein 4-jähriger Sohn Gregor und meine neun Monate alte Tochter Josefina – seit sieben Jahren in Zistersdorf, in unserem Haus wohnen wir seit genau einem Jahr. Unser Haus hat 180 qm plus 25 qm Keller und 30 qm ausgebauten Spitzboden und befindet sich auf einem 1.600 qm großen Grundstück.
Bitte erzähle uns ein bisschen über dich.
Ich bin 35 Jahre alt und bin von Beruf Gartenarchitektin, das heißt, ich darf mich auch beruflich kreativ betätigen. Zurzeit befinde ich mich aber in Mutterschaftsurlaub. Ich werde, wie auch schon bei meinem Sohn, insgesamt zwei Jahre zu Hause bleiben.
„Als ich es dann das erste Mal von innen gesehen habe, habe ich das Potenzial dann doch erkannt.“
Wie seid ihr zu eurem Haus gekommen?
Das war für mich definitiv keine Liebe auf den ersten Blick! Aber weil es in der Wohnung zu dritt langsam eng wurde und wir uns auch ein zweites Kind wünschten, suchten wir schon länger nach einem passenden Haus. Fest stand, dass wir nicht neu bauen wollten, sondern gerne ein altes Haus hätten. Allerdings habe ich immer eher von einem noch älteren Haus geträumt – aus der Jahrhundertwende mit schöner Stuckfassade ... Aber da wir unbedingt in Zistersdorf bleiben wollten, konnten wir eben nicht aus dem Vollen schöpfen.
Und welches Haus ist es dann schlussendlich geworden?
Das Haus, das es letztendlich geworden ist, stand schon über zwei Jahre zum Verkauf und wir kannten es auch von außen. Es hat mich aber absolut nicht umgehauen und ich habe es immer viel kleiner eingeschätzt, als es tatsächlich ist. Mein Lebensgefährte hat es sich dann einmal mit seinem Cousin, der Bautechniker ist, angeschaut und mich dann überredet, es mir auch anzuschauen. Als ich es dann das erste Mal von innen gesehen habe, habe ich das Potenzial dann doch erkannt. Vor allem die alte Holztreppe und die Pendeltüre haben ihren Beitrag geleistet. Außerdem wirkte es dann von innen plötzlich beinahe riesig!
In welchem Zustand war euer Haus beim Kauf?
Na ja, der Zustand war so, wie man es sich bei einem 70 Jahre alten Haus vorstellt, bei dem, außer oberflächliche Renovierungsarbeiten, nie wirklich viel gemacht wurde.
Kaum vorstellbar: Das ist der ursprüngliche Zustand des Hauses. Das wurde komplett kernsaniert und der Grundriss wurde neu geplant, – mit wunderschönem Ergebnis.
Wie würdest du den Stil deines Hauses beschreiben?
Unser Haus ist ein klassisches Siedlungshaus aus dem Jahr 1949, mit sehr steilem Satteldach und Fensterläden, zwei kleinen runden Fenstern und Gauben. Also grob gesagt ein sehr bodenständiger, konservativer Stil, der damals auch eine Gegenbewegung zur klassischen Moderne war.
Was liebst du an deinem Zuhause besonders?
Dass es meinen individuellen Stil widerspiegelt, der wahrscheinlich nicht 08/15 ist. Und die tolle Aussicht, die wir vor allem Richtung Süden haben. Auch die große Fixverglasung vom Zubau ist vor allem im Winter, wenn Schnee liegt, ein echtes Highlight! Und die alte Holztreppe und die Pendeltür sowieso.
Pendeltür und Terrazzo im Eingangsbereich
„Ich bin absolut kein Fan davon, wenn man alten Häusern ‚ihr Gesicht nimmt‘.“
Was war dir bei der Sanierung deines Hauses wichtig?
1. Dass wir den Stil des Hauses so unverfälscht wie möglich bewahren. Das ist bei einer kompletten Kernsanierung inkl. thermischer Sanierung natürlich schwierig, aber fest stand von Anfang an, dass die äußere Optik so gut wie möglich erhalten bleiben soll. Ich bin absolut kein Fan davon, wenn man alten Häusern „ihr Gesicht nimmt“, also auch optisch radikal modernisiert – das bricht mir immer das Herz.
Die Holztreppe wurde rausgenommen, restauriert und wieder eingesetzt.
2. Natürlich war mir auch wichtig, dass die alte Holztreppe und die Pendeltür erhalten bleiben, weil sie wirklich die Herzstücke des Hauses sind. Auch Fensterläden hat das Haus wieder bekommen. Die Haustür ist eine Kopie der originalen Tür, das Metallgitter haben wir sogar wiederverwendet, genauso wie die Metallgitter vor den runden Fenstern. Auch im Inneren wollte ich, dass sich die 50er-Jahre ein bisschen widerspiegeln. Im Vorzimmer befand sich zum Beispiel ein Terrazzoboden. Leider war dieser ziemlich kaputt, aber wir haben neuen Terrazzo machen lassen.
Die Haustür ist eine Kopie der originalen Tür, das Metallgitter ist wiederverwendet genauso wie die Metallgitter vor den runden Fenstern. Ein weiteres Schmuckstück in dem alten Haus: die aufwendig restaurierte Holztreppe.
3. Das Haus hat ja auch einen recht modernen Zubau bekommen. Wir haben lange überlegt, ob wir ihn machen sollen oder nicht. Wir haben uns dann aber dafür entschieden. Zur Wohnflächenerweiterung wäre er absolut nicht notwendig gewesen, aber weil wir gerne eine große Fixverglasung haben wollten, haben wir uns dann doch dafür entschieden und bereuen es nicht.
„Gesehen haben wir uns nicht viel.“
Im Wohnzimmer: ein IKEA-Sofa und ein Pouf von Norman Copenhagen sowie eine Leuchte von Herman Miller.
Wie lange hat der Umbau gedauert?
Ziemlich genau zwei Jahre. Wir haben das Haus Ende März 2016 gekauft und Ende April 2018 sind wir eingezogen. Das waren keine einfachen zwei Jahre! Mein Lebensgefährte hat jede freie Minute auf der Baustelle verbracht, das heißt: Gesehen haben wir uns nicht viel.
Was musstet ihr alles neu machen?
Wenn man keine allzu hohen Ansprüche hätte, hätte man in das Haus so einziehen können, wie es war. Das kam für uns aber nicht infrage. Da wir zwar ein Haus mit altem Charme, aber modernem Standard wollten, haben wir somit alles neu gemacht. Übrig blieb nach der Entkernung und Entrümpelung nur die Ziegelhülle und der Dachstuhl und im Inneren die Pendeltür und die Holztreppe bzw. sie wurden ausgebaut und erst kurz vor der Fertigstellung wieder eingebaut.
Außerdem mussten wir im Dachgeschoss auch eine Holz-Beton-Verbunddecke herstellen, um es ausbauen zu können.
„Meine Schwester hat meine Gedanken gelesen und eine Garderobennische mit einem dahinter liegenden Waschraum geschaffen und eine Speisekammer in der Küche.“
Die Waschküche besitzt viel Stauraum. Die pastellfarbene Wohnküche kann bei Bedarf mit einer Schiebetür zum Wohnzimmer hin verschlossen werden.
Habt ihr einen Architekten zu Hilfe genommen?
Wir haben das riesengroße Glück, dass wir in unserer Familie sehr viele Profis aus der Baubranche haben. Der Cousin meines Lebensgefährten ist zum Beispiel Bautechniker und meine Schwester ist Innenarchitektin. Beide haben uns bei der Planung und beim gesamten Umbau mit ihrem Know-how extrem unterstützt. Mein Vater ist Malermeister, und auch ein Bauingenieur, ein Installateur, ein Maurer, ein Elektriker und ein Tischler zählen zu unseren Familienmitgliedern.
Der Umbau selbst war dann wirklich großteils ein Familien- und Freundschaftsprojekt und wir haben rund 80 % in Eigenleistung gemacht. Nur für das Dach, die Türen und für einige Bodenbeläge (Parkett und Terrazzo) haben wir Firmen hinzugezogen.
Wie habt ihr die Raumaufteilung gelöst und wie viele Zimmer habt ihr?
Im Erdgeschoss haben wir die Raumaufteilung geringfügig geändert. Dort befinden sich die große Küche mit Speisekammer und mit dem Esszimmer im Zubau, Wohnzimmer, Badezimmer, Toilette, Büro und der Waschraum mit davor liegender Garderobennische. Das Dachgeschoss wiederum war, bis auf einen Raum, noch gar nicht ausgebaut. Dort entstanden zwei Kinderzimmer, ein Schlafzimmer mit Schrankraum und eine Toilette. Badezimmer und Küche befanden sich ursprünglich woanders und waren viel zu klein. Meine Schwester hat da quasi meine Gedanken gelesen, die ich zu der Zeit noch gar nicht hatte, und uns einen wunderbaren Plan gezeichnet, der sofort für uns gepasst hat. So hat sie zum Beispiel eine Garderobennische mit einem dahinter liegenden Waschraum geschaffen und eine Speisekammer in der Küche. Zusätzlich ist das Haus teilunterkellert und den Spitzboden haben wir auch ausgebaut. Er dient vor allem als Stauraum und meine „Nähecke“ befindet sich auch dort oben
Über dem Tisch von Faust Linoleum hängen Pendelleuchten von Gubi.
Worauf hast du jeweils bei der Gestaltung von Küche, Wohnzimmer und Badezimmer Wert gelegt?
Bei Küche und Wohnzimmer war uns ganz wichtig, dass diese beiden Räume getrennt sind. Wir sind keine Fans vom offenen Wohnen. Allerdings haben wir es so gelöst, dass es zwischen Küche und Wohnzimmer eine doppelte Schiebetüre gibt, die die meiste Zeit offen ist, bei Bedarf aber einfach zugemacht werden kann.
Die Küche selbst sollte auf alle Fälle großzügig sein mit Platz für eine große Kücheninsel. Die ist auch wirklich zum Zentrum des Hauses geworden, hier spielt sich immer sehr viel ab.
Über der Kücheninsel von IKEA hängen die Pendelleuchten von Artek. Die Barhocker sind von Muuto. Um Geld zu sparen, sind viele Möbel von IKEA, allen voran die Küche. Allerdings wurde die Küche mit Markengeräten ausgestattet.
Das Wohnzimmer sollte vor allem eine große Couch bekommen, auf der wir alle vier bequem Platz haben. Und wir brauchten auch große Bücherregale für unsere vielen Bücher und Magazine. Wir haben jetzt an der Wand links und rechts von der Schiebetür jeweils ein großes Bücherregal und an der Wand unter einem Fenster gibt es ein großzügiges Regal, in dem alle Magazine untergebracht sind.
Beim Badezimmer war uns am allerwichtigsten, dass es Dusche und Badewanne bekommt. Wichtig war dabei auch, dass es eine Rainshower mit bodengleicher Duschtasse ist, und die Badewanne musste so sein, dass man bequem darin liegen kann. Der Waschtisch bietet auch genug Stauraum für alle Dinge, denn ich mag es überhaupt nicht, wenn Shampooflaschen & Co. im Badezimmer sichtbar herumstehen.
Insgesamt habe ich bei der Gestaltung aller Räume in erster Linie auf Zeitlosigkeit geachtet und in zweiter Linie darauf, dass der Stil sich auch ein bisschen an den 50er-Jahren orientiert. Das ist natürlich schwierig, aber ich glaube, es ist mir trotzdem halbwegs gut gelungen.
Worüber freust du dich im Nachhinein?
Ich war natürlich „Design-Chefin“. Ich habe alles selbst ausgesucht, mir konnte niemand was ein- oder ausreden, auch, wenn es des Öfteren versucht wurde. Bestes Beispiel dafür ist die Ziegelwand im Schlafzimmer. Im Nachhinein hat sie dann allen gefallen.
Welche Tipps hast du für uns, von denen du wünschtest, die hätte dir jemand gegeben?
Die Planungsphase kann nie lange genug dauern! Nicht nur, was das Technische und Bauliche betrifft, sondern auch, was die Einrichtung betrifft. Das Beste wäre eigentlich, wenn auch die Einrichtung schon genau festgelegt wird, bevor überhaupt begonnen wird. Das inkludiert auch Kleinigkeiten, wie beispielsweise Lampen und Armaturen. Denn wenn begonnen wird, müssen die Entscheidungen sehr schnell getroffen werden, die von diesen Dingen abhängig sind. Zum Beispiel die genauen Positionen und Abstände der Lampen, Positionen der Steckdosen und Lichtschalter, Höhen der Wandarmaturen usw. Da hätten auch wir die ein oder andere Minute mehr in die Planung investieren sollen ...
Hast du noch einen Tipp für uns?
Ich kann nur den Tipp geben: Wenn man selbst nicht vom Fach ist oder niemanden hat, der vom Fach ist, auf jeden Fall einen Profi hinzuziehen – und planen, planen und noch einmal planen, bevor man loslegt. Außerdem gibt es heutzutage so viele Normen und Vorschriften, dass es gar nicht so einfach ist, wie viele sich das vielleicht vorstellen. Und eine möglichst genaue Kostenschätzung ist natürlich auch extrem wichtig! Und dafür sollte man gegebenenfalls auch wieder einen Profi hinzuziehen.
Hast du deinen Budgetrahmen einhalten können?
Ja, unseren Budgetrahmen haben wir, dank der genauen Kalkulation meines Lebensgefährten, ganz vorbildlich eingehalten.
Vermisst du eure alte Wohnung?
Anfangs hatte ich wirklich Angst, dass ich die Wohnung vielleicht vermissen werde, da sie ja doch auch mit vielen Erinnerungen verknüpft ist. Aber ich habe sie ganz ehrlich nicht eine Minute lang vermisst!
Karinas alte Wohnung
Warum möchtest du genau so wohnen?
Ich wollte vor allem aus zwei Gründen immer in einem alten Haus wohnen: Der erste Grund ist, dass ich nie in einer neuen Siedlung auf der grünen Wiese bauen wollte (Stichwort Ressourcenschonung), die aus lauter Neubauten und Thujenhecken besteht und in der es noch keine gewachsenen Strukturen oder alten Bäume gibt. Das war immer mein persönlicher Albtraum!
Der zweite Grund ist, dass ich immer schon total fasziniert von alten Häusern war. Alte Häuser sind ein Stück Geschichte und in ihnen steckt oft ganz viel Liebe zum Detail, wie man sie bei modernen Neubauten meistens vergeblich sucht.
Liebe Karina, vielen Dank für das sehr informative und spannende Interview! Um kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @kleinstadtklischee hier folgen.
HERSTELLERINFOS:
Küche: IKEA (exkl. Geräte), Barhocker: Muuto, Hängeleuchten: Artek, Wandleuchten: Manufactum
Esszimmer: Esstisch: Faust Linoleum, Stühle: Interio, Hängeleuchten: Gubi
Wohnzimmer: Couch: IKEA, Couchtisch: Kristina Dam Studio, Pouf: Normann Copenhagen, Hängeleuchte: Herman Miller
Badezimmer: Bodenfliesen: Mosaic del Sur, Wandfliesen: Imola, Waschtisch: METOD-Korpus von IKEA mit Fronten und Griffen von Superfront, Badewanne: Kaldewei, Duschtasse: Bette, Armaturen: Nobilis, Waschbecken: Globo, Spiegel: House Doctor, Leuchten: Manufactum
Toiletten: Bodenfliesen: Mosaic del Sur, Wandfliesen: Imola, Toiletten: Villeroy & Boch, Toilettenpapierhalter: Manufactum, Waschbecken: Villeroy & Boch, Armatur: Herzbach
Waschküche: Möbel: IKEA, Bodenfliesen: Mosaic del Sur
Büro: Tisch: Faust Linoleum, Hängeleuchte: Verpan, Stuhl: Thonet, Kasten: IKEA mit Griffen von Prettypegs
Vorzimmer: Wandkommode: Montana, Hängeleuchte: Tecnolumen, Teppichboden Dachgeschoss: Astra
Kinderzimmer: Bett: IKEA mit Beinen von Prettypegs, Kommoden und Schrank: IKEA, Schaukelstuhl: Vitra, Hängeleuchten: Muuto
Schlafzimmer: Bett: IKEA mit Beinen von Prettypegs, Hängeleuchte: Ay illuminate, Wandleuchte: Frama Copenhagen, Spindeltreppe: Fontanot
Großteil der restlichen Möbel: Vintage (Quellen: eBay, Etsy, stilraumberlin, Pamono, Vintage-Läden in Wien)
Einbauten: Innentüren: Dana, Parkettboden: Wildbrett via Parkett-AGENTUR, Lichtschalter: Schneider Electric, Fenster: Internorm mit Beschlägen von Cala Beschläge, Fensterläden: Schlotterer, Farbe RAL 7033, Dach: Tondach, Modell „Wiener Norma“ in der Farbe Basalt
GRUNDRISSE