Vor den Toren der Großstadt thronte bis 2011 ein über 100 Jahre altes Hexenhäuschen mit Blick auf die Frankfurter Skyline. Kurz darauf wurde der 90-qm-Altbau auf dem 500 qm großen Grundstück zu einem Wohntraum auf 165 qm erweitert. Seit 2012 wohnt hier Gerardina aka @raumatmosphäre mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Warum sie nun ein zweites Mal anbauen, warum es manchmal sinnvoll ist, sich dem Architekten zu widersetzen, und was sie nicht erwartet hat, verrät uns Gerardina in unserer Serie „Projekt Traumhaus“.
Von der Terrasse kann Gerardina den Blick auf die Frankfurter Skyline genießen.
Liebe Gerardina, wie habt ihr das über 100 Jahre alte Haus im Taunus gefunden?
2011 habe ich eine Anzeige auf einer Immobilienplattform gelesen: „Kernzusanierendes Haus mit Skyline-Blick“. Und das auch noch in unserem Dorf!
Das war dir wichtig ...
Ja, ich suchte damals bewusst in unserem Dorf nach einem neuen Zuhause für meine beiden Töchter und für mich.
Hast du dein Glück fassen können und gleich einen Termin ausgemacht?
Nein, zuerst wollte ich keinen Termin ausmachen, da mich das Thema Kernsanierung zunächst abgeschreckt hat. Aber mein Liebster, der als Bauträger arbeitet, hatte mich damals davon überzeugt, es mir einfach mal anzuschauen. Er konnte ja nicht ahnen, was dann daraus wurde!
In welchem Zustand war das Haus beim Kauf?
Es war unbewohnt, stand zehn Jahre lang leer und brauchte dringend eine Grunderneuerung.
Oh wow, das klingt abenteuerlich!
Von außen sah es gar nicht so ‚schlimm‘ aus, der Hauseigentümer hatte, um es besser vermarkten zu können, die Außenfassade streichen lassen. Der Hauseigentümer wohnte im Haus direkt nebenan. Er wollte komplett aus dem Dorf wegziehen und verkaufte seine beiden Häuser. Dieses alte Haus stand schon länger zum Verkauf. Der Makler erzählte mir, dass viele sich nicht an das Haus ‚herangetraut‘ haben.
Und dein Gefühl beim ersten Anblick?
Ich war sofort verliebt in das kleine, damals 90 qm große, ‚Hexenhäuschen‘ und der Ausblick auf die Skyline von Frankfurt war einfach atemberaubend!
Habt ihr das Haus vor dem Kauf von einem Gutachter ansehen lassen?
Nein, nur vom Architekten unseres Vertrauens, der sich dann auch um die Kernsanierung und um den Anbau gekümmert hat.
Und ist er auf eine Leiche gestoßen?
Das nicht, aber auf einen weiteren Raum neben dem Keller und einen Brunnen. Beides haben wir schließen lassen müssen.
Wolltest du schon immer ein altes Haus kaufen?
Nicht wirklich. Aber ich hatte schon immer eine Schwäche für alles, was nicht ‚Mainstream‘ ist.
„Wir mögen eine moderne zeitlose Basis ergänzt um Akzente aus verschiedenen Stilen.“
Was musstet ihr alles neu machen?
Alles, wirklich alles! Eine absolute “Kernsanierung” . Es standen zum Teil nur noch die Grundmauern da.
Worauf hast du bei der Gestaltung von Küche, Wohn- und Badezimmer Wert gelegt?
Licht, Licht, Licht und ein gutes Raumgefühl.
Wie viele Zimmer habt ihr eingeplant für die Familie?
Jedes der drei Kinder sollte ein Einzelzimmer bekommen. Wir hatten uns noch ein Arbeits- und Gästezimmer gewünscht. Aber wir kamen bereits an die Grenze der möglichen Wohnflächennutzung, dabei hätten wir gerne anders geplant. Heute hat unser Haus fünf Zimmer plus Gäste-WC, Badezimmer und Küche.
Bei der Kernsanierung standen zum Teil nur noch die Grundmauern da.
Wie seid ihr bei der Planung vorgegangen?
Der Bebauungsplan, der direkt an unserem Haus endet und relativ neu war, sah vor, dass alles neu Bebaute nur noch einstöckig sein durfte. Somit waren wir in der Planung etwas eingeschränkt und die Herausforderung war groß, die nötige Zimmeranzahl (wir waren mittlerweile zu fünft) zu bekommen. Leider fehlt uns bis heute ein Arbeits- und Gästezimmer.
Worauf hast du bei der Planung besonders geachtet?
Auf eine stimmige Einheit zwischen dem alten und dem neuen Bau.
Für welche Bauweise habt ihr euch entschieden?
Wir haben für den Anbau sowohl fertige Betonwände als auch Stein-auf-Stein-Mauern verwendet. Und für die Fassade des Anbaus haben wir Holz gewählt.
Der Anbau mit Holzverkleidung – er wirkt modern und verleiht dem Haus dennoch Wärme. Gerardina sagt, der Anbau schmiege sich an den Altbau aus dem Jahre 1898 an. „Sie mögen sich halt.“
Wie lange hat der Um- und Anbau insgesamt gedauert?
Von der Planung bis zur Fertigstellung, und zwar so, dass keine Handwerker mehr kommen mussten, eineinhalb Jahre.
Wann seid ihr eingezogen?
Wir mussten ein halbes Jahr vor der Fertigstellung einziehen, da ich aus der Zwischenunterkunft raus musste, sodass noch ca. sechs Monate die Handwerker bei uns ein und aus gingen. Die gehörten dann schon fast zum Familienalltag ;-)
Wäre es irgendwie möglich gewesen, von Beginn an im Haus zu wohnen?
Nein, das ist bei einer Kernsanierung absolut nicht machbar. Alles wurde aufgerissen, umgebaut, angebaut und verändert. Da kommt einfach zu viel Staub und Schmutz zusammen. Wir haben im Dorf bei Freunden, die zu der Zeit im Ausland waren, eine Zwischenunterkunft gefunden.
Gab es Herausforderungen beim Bau?
Der Zeitplan, dass die Gewerke fließend ohne große Unterbrechungen und Hand in Hand arbeiten konnten. Aber gegen das zum Teil schlechte Wetter konnten auch wir nichts machen.
Für welche Tätigkeiten würdest du einen Profi wählen?
Da wir handwerklich so ziemlich zwei linke Hände haben, haben wir uns komplett auf die Profis in jedem Gewerk verlassen.
„Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass eine Kernsanierung länger dauern kann als ein Neubau.“
Und wie seid ihr dabei vorgegangen?
Für jedes Gewerk haben wir eine Ausschreibung gemacht, da wir die Kosten idealerweise unter Kontrolle haben wollten. Das würde ich in jedem Fall empfehlen. Was nicht heißt, dass wir immer den günstigsten Dienstleister genommen haben, jedoch ist es wichtig, sich einen Überblick zu verschaffen und Gewerke hinter den Angeboten kennenzulernen.
Habt ihr euren Budgetrahmen einhalten können?
Nein, nicht ganz ;-)
Welchen Tipp hast du für uns, von dem du wünschtest, den hätte dir jemand gegeben?
Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass eine Kernsanierung länger dauern kann als ein Neubau. Das hat meine Zeitplanung und die notwendige Organisation dazu etwas durcheinander geworfen.
Könntest du denjenigen, die bald ein Haus umbauen möchten, eine Kurzanleitung geben, was Step by Step zu tun ist?
1. So viel wie möglich über das Haus hinsichtlich der Bausubstanz in Erfahrung bringen
2. Bebauungsplan einsehen: Was ist genehmigungspflichtig und was nicht?
3. Erfahrenen Bauleiter (muss nicht zwangsläufig der Architekt sein) beauftragen, der die einzelnen Gewerke koordiniert und führt
4. Ausschreibungen bei den entsprechenden Gewerken
5. Frühzeitige Entscheidungen über Materialien und Ausstattung (Bodenbeläge, Wände, Bäder usw.) treffen
6. Einen Zeitplan – Projektplan Ablauf der Gewerkearbeiten – aufstellen
7. Täglich als Bauherr auf seiner eigenen Baustelle präsent sein
8. Zwischenabnahmen der einzelnen Gewerke durchführen
9. Kostenkontrolle
„Wenn es nach dem Architekten gegangen wäre, hätten wir unseren Innenhof nicht gehabt.“
Hast du deinen Garten selbst geplant und angelegt?
Geplant haben wir ihn selbst, angelegt wurde er von einem Landschaftsgärtner. Wenn es nach dem Architekten gegangen wäre, hätten wir unseren Innenhof nicht gehabt. Er meinte, das sei doch überflüssig, wo wir eine Terrasse mit Ausblick hätten. Ich hatte jedoch dieses Bild einer kleinen geschützten Terrasse vor dieser schönen alten, original erhaltenen Stallmauer vor meinem Auge. Heute sind wir alle sehr froh über den Innenhof. Es ist einer meiner liebsten Plätze im Sommer.
Ist es jetzt euer Traumhaus?
JA!
Warum möchtest du genau so wohnen?
Es ist ein richtiges Zuhause für uns alle geworden. Die Symbiose aus Dorfleben und Großstadt in greifbarer Nähe ist genau die richtige Mischung für uns.
Warum plant ihr gerade einen weiteren Anbau?
Wir benötigen dringend einen weiteren Raum: ein Arbeitszimmer. Bislang arbeite ich als Selbstständige an einem Sekretär im Wohnbereich. Dieser Platz reicht aber schon lange nicht mehr aus. Es bietet mir viel Flexibilität, von zu Hause aus zu arbeiten, da ich so Familie und Beruf sehr gut unter einen Hut bringen kann. Daher möchte ich kein externes Büro anmieten.
Und wie groß wird dieser?
Mit viel Hartnäckigkeit und Energie haben wir ein gutes Ergebnis mit dem Bauamt hinbekommen. Der Raum wird ein Glaskubus mit teils Blindverglasung. Er soll auf den bestehenden Anbau aufgesetzt werden. Wir bekommen ca. 19 qm neuen Raum hinzu.´
Aus heutiger Sicht: Würdest du etwas anders machen?
NEIN!
Liebe Gerardina, vielen Dank für das so informative und spannende Interview! Um kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @raumatmosphäre hier folgen. Und hier geht’s zu ihrer Homestory.
Alle Beiträge aus der Serie Projekt Traumhaus, findet ihr hier.