„Uns haben von Anfang an die knapp 3-Meter-Deckenhöhe mit den raumhohen Fenstern und der offene Grundriss gefallen“, schwärmt Marvin aka @herrmarvin über die lichte Wohnung im Münchner Westen, in der er mit seinem Partner Stephan auf 80 qm lebt. Doch wie haucht man einem modernen Neubau die nötige Lebendigkeit ein, die von seinen Bewohnern erzählt? Wie entsteht gemütliche Dynamik, die einem Zuhause Charakter schenkt?
Als Stylist schien es Marvin ein Leichtes zu sein, dem Neubau mit gekonnten Handgriffen Temperament zu verleihen: Während sich nun Materialien wie Edelstahl und Beton mit Holz, Kork und Jute spielerisch die Hand reichen, entsteht mit besonderen Einzelstücken und einem durchdachten Konzept aus maßgeschneiderten Einbauten eine eklektische Mixtur, die das Zuhausegefühl der Bewohner widerspiegelt.
Euch gefällt Marvins Wohnstil? Den von ihm inspirierten „Shop the Look“ findet ihr am Ende des Beitrags.
Farbenfroher Hingucker: Der gelbe Bold Chair von Big Game für Moustache. Für den Kaktus sind Marvin und Stephan damals bis nach Stuttgart gefahren, da sie in München nichts Vergleichbares gefunden hatten.
Lieber Marvin, wie können wir uns den offenen Grundriss eurer Wohnung vorstellen?
Es gibt keinen Flur, beim Betreten der Wohnung ist man sofort mitten im Geschehen bzw. in der Küche. Die Küchenzeile ist zusammen mit Bad, WC und Einbauschränken in einen zentralen Kern in der Mitte der Wohnung integriert, um den man einmal im Kreis laufen kann.
Die Einbauschränke im Eingangsbereich wurden vom Schreiner aus (teilweise weiß lasierter) Seekiefer angefertigt, um Stauraum für Schuhe, Leiter, Werkzeugkasten sowie Waschmaschine und Trockner zu schaffen. Eine Nische bietet Platz, um Jacken aufzuhängen. Marvin setzt durchgängig auf einen Mix von Alt und Neu: Holzaccessoires wie hier kontrastiert er mit Betonobjekten und Edelstahl.
„Wir haben uns für einen Sichtestrich entschieden, denn Holz wollten wir uns für die vielen Einbauten vorbehalten.“
Marvin (37) ist in München aufgewachsen. Als sehr visueller Mensch beschäftigt er sich beruflich wie privat gerne mit Interior, Architektur, Design, Kunst, Mode und Fotografie. „Ich esse lieber süß als salzig, mag Regen fast genauso gerne wie Sonne und trage lieber Farbe als Schwarz“, lacht Marvin.
Wie würdest du deinen Wohnstil in drei Worten beschreiben?
Verspielter Minimalismus. Punkt.
Vor dem Einzug hattet ihr alle Freiheiten beim Innenausbau sowie bei der Aufteilung und Wahl der Materialien. Für was habt ihr euch entschieden?
Bauseitig waren ursprünglich Eichendielen als Boden vorgesehen, wir haben uns jedoch stattdessen für einen Sichtestrich entschieden, denn Holz wollten wir uns für die vielen Einbauten vorbehalten. Diese habe ich alle selbst geplant. Und gebaut hat’s am Ende natürlich ein Schreiner. Gerade bei einem offenen Grundriss ist viel Stauraum ein Segen.
Die Kücheninsel ist ein Mix aus IKEA-Schränken und Schreinerarbeiten – so konnte im Inneren Platz für den Kochfeldabzug geschaffen werden. Die Edelstahlfronten sind ebenfalls von IKEA, die Arbeitsplatte aus Edelstahl ist eine Maßanfertigung. Die an der Wand lehnende Kohlegrafik hat Marvin während seines Architekturstudiums selbst gemacht. Monochrome Schönheit: Muutos Kink-Vase mit Chrysanthemen.
„Holz trifft auf Edelstahl, Kork, Jute und Beton.“
Die von den Bouroullec-Brüdern für Vitra entworfene Découpage-Keramikvase mag Marvin besonders, da sie mit ihren naiv-organischen Formen auch ohne Blumen eine tolle Figur macht. Die Küchenzeile ist eine Maßanfertigung vom Küchenstudio, deren Fronten mit der dunkelgrauen Wandfarbe abgestimmt wurden. „So nimmt sich die Küchenzeile angenehm zurück, was ich für offene Wohnküchen meist angenehmer finde“, erklärt Marvin.
Welches Material habt ihr für die Einbauten gewählt?
Die Fronten fast aller Einbauten sind aus Seekiefer. Seekiefer ist ein vergleichsweise günstiges Holz und ich mag die verspielte organische Struktur im Kontrast zu den teilweise eher nüchternen Oberflächen der Wohnung. Auch sonst haben wir bei den Materialien eher auf Vielseitigkeit gesetzt, da wir keinen super cleanen Alles-aus-einem-Guss-Look wollten. Holz trifft hier auf Edelstahl, Kork, Jute und Beton und und und …
Mit Einbauschränken und Schiebetüren wird auch der Wohn- vom Schlafbereich separiert: „So können wir abends Schlafen vom Wohnen trennen und tagsüber die Großzügigkeit der Gesamtfläche genießen“, erklärt Marvin. Den gelben Meta-Sidetable von New Tendency ziert eine Jessica-Hans-Vase von HAY. Auf der anderen Bettseite dient der schwarze Sidetable von Hem als Nachttisch, die Hängeleuchte darüber haben Ronan und Erwan Bouroullec für Flos entworfen.
„Die Fronten fast aller Einbauten sind aus Seekiefer. Seekiefer ist ein vergleichsweise günstiges Holz und ich mag die verspielte organische Struktur.“
In der Arbeitsnische bietet das Pegboard an der Rückwand eine tolle Möglichkeit, um flexibel und dekorativ den offenen Stauraum zu strukturieren. Hinter dem Vorhang verbirgt sich Marvins Kleiderschrank. Den Esstisch aus der SINNERLIG-Kollektion hat Ilse Crawford für IKEA entworfen. Das Bild dahinter ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem befreundeten Fotografen Quirin Siegert.
„Je neuer und moderner eine Wohnung ist, desto mehr bedarf es auch natürlicher Materialien und besonderer Stücke, denen man den Zahn der Zeit ansieht.“
Marvin und Stephan werden oft gefragt, ob die Tischplatte aus Kork empfindlich sei. „Das Gegenteil ist der Fall. Er ist mit den Jahren kaum gealtert, Krümel sieht man nicht und auch ein verschüttetes Glas Wein richtet keinen Schaden an“, sagt Marvin. Die Hängeleuchten aus Messing sind von Northern, die bunten Glaskaraffen von HAY und Ichendorf Milano.
Was sofort in eurer Wohnung auffällt, ist das besondere Licht …
Ja, vor allem im Winter. Unsere Wohnung geht mit raumhohen Fenstern auf der gesamten Breite nach Süden. Im Sommer ist der Sonnenstand so hoch, dass sich Licht und Schatten fast nur in Fensternähe abspielen, aber im Winter taucht die tief stehende Sonne die gesamte Wohnung in ein magisches Licht. Das ist jedes Jahr wieder faszinierend!
Wo befindet sich dein Lieblingsort zu Hause?
Das ist vermutlich die Couch. Ich mag so gerne, dass sie sich mehreren Bereichen öffnet: Ich kann fernsehen, aus dem Fenster schauen und die vorbeifahrenden Züge beobachten oder mich mit Stephan unterhalten, wenn er am Esstisch sitzt.
Die selbst geplante Multifunktionswand trennt Wohn- und Schlafzimmer und beherbergt unschönes TV- und Hi-Fi-Equipment, Bücher, DVDs, Spiele sowie eine versteckte Schiebetür, die abends aus einem Raum zwei Räume machen kann. Über dem blauen Sofa von BoConcept hängt die Formakami-Papierleuchte JH5 von &Tradition, die grüne Tischleuchte ist eine vintage Kaiser Idell.
In der Wohnung gibt es überall besondere Fundstücke aus Beton und Holz zu entdecken, die einen schönen Kontrast zu den eher geradlinigen Formen der Wohnung bilden. Woher hast du diese Objekte?
In der Nachbarschaft gab es bis vor ein paar Jahren noch viele verwahrloste Gewerbegrundstücke und stillgelegte Bahnanlagen. Da habe ich einiges aufgelesen und aus Gebüschen gezogen: Auf großen Betonwürfeln stehen jetzt Pflanzen, ein alter Holzbock ist zu einer Kleiderablage geworden und ein großer Betonring zur Skulptur. Ich finde, je neuer und moderner eine Wohnung ist, desto mehr bedarf es auch natürlicher Materialien und besonderer Stücke, denen man den Zahn der Zeit ansieht.
Die Kücheninsel aus Edelstahl ist die ideale Bühne für wechselnde Objekte. An dem Material mag Marvin, dass es sehr ehrlich altert: „Der erste Kratzer tut noch weh, aber nach ein paar Jahren hat sich eine wunderschöne Patina gebildet.“ Im Hintergrund ist der Betonring zu sehen. Der maßgefertigte Kerzenhalter ist von der Designerin Sanna Völker, die auf Marvins Wunsch ein spezielles Adventsexemplar gefertigt hat.
Welche Möbelstücke wünscht du dir noch für die Wohnung?
Ich bin zum ersten Mal an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, dass ich eigentlich nichts mehr brauche. Aber ich hätte gerne noch mehr Kunst. Wir wohnen mit ein paar Prints von befreundeten Fotografen, Grafiken und Gipsobjekten aus meinem Studium. Außerdem haben wir ein winziges Bild von meiner Lieblingskünstlerin Alicja Kwade geschenkt bekommen. Ach ja, Vasen gehen auch immer.
Die Stehleuchte Toio ist von Flos und macht vor allem gedimmt abends ein wunderschön warmes Licht. Der Siebdruck links daneben ist von Rosemarie Auberson, das winzige Bild zwischen den Fenstern von Marvins Lieblingskünstlerin Alicja Kwade.
„Ich bin zum ersten Mal an dem Punkt, wo ich das Gefühl habe, dass ich eigentlich nichts mehr brauche.“
Das 1,60 m breite Bild ist eine Fotografie des befreundeten Grafikdesigners Maximilian Schachtner. „Es ist das Erste, was ich sehe, wenn ich morgens die Augen öffne“, ergänzt Marvin. Die großen Betonwürfel sind Fundstücke.
Gibt es ein Dekostück, dessen Anblick dich glücklich stimmt?
Clara, das weiße Porzellan-Nashorn von der Porzellanmanufaktur Nymphenburg. Ich durfte einmal die Werkstätten besuchen und Zeuge werden, wie viele Arbeitsschritte zur Herstellung nötig sind, wie viel Geduld, Know-how, Handwerk, Kunstfertigkeit und Tradition hier einfließen. Das macht Clara für mich zu so viel mehr als nur einem Dekoobjekt.
Rhinozeros Clara von der Porzellanmanufaktur Nymphenburg thront auf einem massiven Stück Holz. Die felsenartige Karaffe des Künstlers Craig Barrow auf dem goldenen Hocker von Max Lamb für Hem ist ebenfalls aus Porzellan.
Wie setzt du in der Wohnung eigentlich Farben ein?
Für manche mag es funktionieren, sich in der Wohnung nur auf eine oder zwei Akzentfarben zu beschränken, mir fehlt dafür die Disziplin. Wenn man darauf achtet, dass sich alle Farben immer wieder mal an verschiedenen Orten in der Wohnung wiederholen, kann man auch mit fünf oder mehr Farben ein harmonisches Miteinander schaffen. Wir leben mit Blau, Gelb, Rosa, Orange, Rot und etwas Lila – dazu das Grün der Pflanzen. Keine Farbe zu viel, wie ich finde.
Muller Van Severens Schneidebretter für Valerie Objects in Gelb, Weiß und Rosa
Welche drei Dinge wissen wir jetzt noch nicht über dich?
1. Ich habe Kommunikationsdesign, Amerikanistik und Architektur studiert – nicht alles erfolgreich, nicht alles fertig, aber ich bin trotzdem dankbar für jedes Semester und für jede Vorlesung.
2. Ich bin ein fauler Koch.
3. Ich bin nicht besonders ordentlich (aber ganz gut organisiert).
Haben wir jetzt vergessen, über ein Thema zu sprechen?
Wir haben noch nicht über Blumen gesprochen.
Poesie in Blütenform – die Blumenarrangements von Marvin
Oh, dann lass uns das unbedingt nachholen. Was bedeuten dir Blumen?
Für mich gibt es nichts Schöneres, als an einem freien Nachmittag zu einem meiner Lieblingsblumenläden zu radeln und dann daheim bei einer Tasse Kaffee ein schönes Arrangement zu machen. Wenn das Licht mal wieder toll ist, mache ich meist auch gleich ein paar Fotos für SoLebIch und Instagram.
Du hast ja das Glück, dich auch beruflich kreativ austoben zu dürfen …
Ja, ich bin selbstständiger Stylist und übe diese Tätigkeit für Magazine und Firmen in recht unterschiedlichen Bereichen aus: Ich mache klassisches Fashion Styling mit Model – vor allem aber auch Styling von Stils, Interior Styling und Set Design. Außerdem fotografiere ich und produziere Content. Dafür nutze ich häufig auch das schöne Tageslicht in der Wohnung.
Die rote Skulptur aus Styrodur ist das Zufallsprodukt einer Materialstudie von Marvin. Mittlerweile hat sie dauerhaft einen Platz in der Wohnung gefunden. Skulpturale Installation mit Clara – dem Rhinozeros der Porzellanmanufaktur Nymphenburg.
Lieber Marvin, vielen Dank für das schöne und spannende Interview!
Um in Zukunft kein Bild mehr zu verpassen, könnt ihr @herrmarvin hier folgen.
„Shop the Look“ inspiriert von herrmarvin
